Bottrop. Mit der Knippenburg, die vor 50 Jahren abgerissen wurde, begiint die WAZ eine neue Serie mit verschwundenen oder vergessenen Orten in Bottrop.

Zwischen zwei Bahnlinien, Emscher und Emscherschnellweg erinnert heute nichts mehr an herrschaftliches Leben und ländliche Idylle. Nur noch der Straßenname „An der Knippenburg“ weckt bei älteren Bottropern Erinnerungen an das „Schloss“. So nannte man in früheren Zeiten die alte Knippenburg, einer jener zahlreichen Ritter- und Herrensitze, die sich an der Emscher entlang reihten - lange bevor man Fluss zu einem der größten Abwasserkanäle Europas umgebaute.

Hätte man die Knippenburg erhalten, zählte sie sicher heute sicherlich zu den historischen Glanzpunkten Alt-Bottrops. Aber vor 50 Jahren entschied man sich anders. Gegen den Widerstand von Teilen der Bevölkerung und des Denkschutzes entschloss man sich, den alten Herrensitz abzureißen. Sicher, durch die Bomben des Zweiten Weltkriegs war die Knippenburg bereits eine Ruine. Und der Einsturz wichtiger Gebäudeteile in den 1950er Jahren machte den Erhalt nicht einfacher. Aber: „Heute wäre dieser Entscheid so mit Sicherheit nicht mehr gefallen, der Denkmalschutz hat einen ganz anderen Stellenwert“, sagt Heike Biskup.

Die Stadtarchivarin, deren Buch „Leben im Bottroper Süden“ wesentliche historische Informationen für diesen Beitrag lieferte, versucht auch diesen Beschluss vor dem zeitlichen Hintergrund der Nachkriegs- und Wirtschaftswunderzeit zu verstehen. Denn bereits acht Jahre zuvor hatte man ebenfalls die Reste der Deutsch-Ordens-Kommende in Welheim abgetragen.

Vom Leben auf der Burg und der ersten Besitzerfamilie, derer von der Knippenburg, erzählen heute nur noch einige Urkunden im Stadtarchiv. So wird ein Bruno von der Knippenburg 1309 erstmals als adeliger Dienstmann der Essener Fürstäbtissin erwähnt. Und eine Silbermünze, die man bei den Abrissarbeiten eingemauert fand, stammt aus der Regierungszeit der Essener Äbtissin Elisabeth von Nassau (1370 - 1412). Also ein Hinweis auf Neu- oder Ausbau der Knippenburg. Mehrere Besitzerwechsel durch Erbschaft und Verkauf ließen das Herrenhaus bereits im 17. und 18. Jahrhundert zusehends verfallen.

Neues Leben kam erst mit dem Erwerb durch die Familie Devens. Der Recklinghäuser Landrat ließ die Knippenburg samt Gräfte ab 1821 von Grund auf restaurieren, legte den Park und Obstgärten an - und beherbergte unter seinen Gästen auch die einstige Erzieherin seiner Töchter: Luise Hensel. Seither gilt die Knippenburg als Entstehungsort des wohl berühmtesten deutschen Abendgebetes „Müde bin ich, geh’ zur Ruh“.

Aber auch die Industrialisierung nagte an der frisch restaurierten Substanz des Hauses. Bergschäden sorgten für Risse, Feuchtigkeit drang ins Mauerwerk ein.

Schließlich gab 1885 die Familie Devens den Kampf gegen Bergschäden (und die Arenberg’sche Aktiengesellschaft) auf und verkaufte den Herrensitz samt Ländereien an den Bergbau. Heute wird „An der Knippenburg“ weder gedichtet noch Obst angebaut. Im Gewerbegebiet mit Deichmanns Schuhlager geht es eindeutig volkstümlicher zu.