Bottrop. Kurios bis politisch: Autorenduo taucht tief in die Kioskgeschichte ein. Bis zum Sommer können Bürger Fotos und Erinnerungen beisteuern.
Die „Bude“, wie der Kiosk im Ruhrgebiet meist genannt wird, ist nicht tot zu kriegen. Zum Glück. Denn diese oft nur wenige Quadratmeter kleinen Geschäftchen stehen nicht nur für Versorgung in nächster Nähe. Bis heute sind sie auch Treffpunkt, vor allem in den Vororten. Im Herbst bringt die Historische Gesellschaft in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv den Band „Budengeschichte(n)“ heraus. Dafür haben Elsbeth Müller (Historische) und Dieter Hönscher, der seit vielen Jahren Lokalgeschichte im Stadtarchiv erforscht, mittlerweile Geschichte(n) von weit über 100 Büdchen zusammengetragen.
Und immer wieder tauchen bislang unbekannte Fotos auf und mit ihnen oft neue Fragen zur Geschichte dieser Verkaufsorte. „Oft suchen wir aber auch bessere Fotos, die einen Kiosk als Gesamtansicht zeigen, wie zum Beispiel die Milchbude, die einmal an der Horster Straße/Ladenstraße, dem Durchgang zur Gladbecker Straße, stand“, sagt Elsbeth Müller. Das Autorenduo hat nur ein altes Foto mit der halben Ansicht der Milchbude. „Und wer sich an den Kiosk erinnert, kann einfach auch eine Geschichte dazu erzählen“, so Müller weiter. Gesucht werden auch Geschichten und Fotos von „Klöppers Büdchen“ auf der Hochstraße zwischen Alter Apotheke und dem früheren Modegeschäft Kerkhoff oder dem Kiosk der Familie Schlossarek an der Horster Straße/ Ecke Ostring.
Denn von Geschichten aktueller oder historischer Büdchen lebt das Buch schließlich. So kommen beispielsweise in kleinen Interviews auch Büdchenbesitzer zu Wort. Einer davon ist Michael Thelen, der seit 25 Jahren die einzige „Obstbude“, wie er sie selbst nennt, in der Innenstadt betreibt. „In den 90er Jahren waren wir noch auf der Gladbecker Straße, seit 2001 nun am Altmarkt, mit Blick auf die Laufkundschaft die richtige Entscheidung“, sagt der Inhaber. Das Buch findet er „eine tolle Idee“.
Dieter Hönscher sorgt für die nötige Akribie bei der Archivarbeit. So hat er von vielen historischen Buden Baupläne oder auch Schanklizenzen „ausgegraben“. Darunter sind auch Bauzeichnungen für die Bottroper Bude mit der wohl kleinsten Verkaufsfläche. „Die war in der alten Uhr am Kreuzkamp untergebracht“, sagt Dieter Hönscher. Auf einer Grundfläche von kaum mehr als einem Quadratmeter. Im unteren Bereich der Uhrsäule war der Kiosk. „Auf der Entwurfsskizze ist sogar der Stuhl für die Verkäufer eingezeichnet, auf dem man sich gerade eben drehen konnte.“ Hönscher kennt übrigens mehrere Seiten der Büdchengeschichte. Als Kind begleitete er seinen Vater oft aus dessen Touren, denn die Eltern hatten hatten einen Zulieferhandel für Kioskbetreiber. Später war er lange in der Gewerbeabteilung beim Ordnungsamt Konzessionen unterschrieben.
Besitzer wurden sogar bespitzelt
So zeichnet das Buch einen breiten Querschnitt Bottroper Budenkultur und spart auch Unschönes nicht aus. „Mit den ersten Milchbuden in Zechennähe wollte man zunächst die Kumpel von den Wirtshäusern fernhalten, damit der Lohn nicht sogleich in Bier und Schnaps umgesetzt wurde“, weiß Hönscher. Bevor die Buden schließlich zu Kleinversorgern wurden, galt die Regel: Verkauf war nur erlaubt, wenn vorher dort auch etwas verzehrt wurde. „Vor allem in den 30er Jahren wurden Kioskbesitzer gerne bespitzelt und zuweilen sogar denunziert, wenn sie Regeln nicht einhielten.“ Das hat der Lokalhistoriker in alten Protokollen entdeckt.
Aber die „Budengeschichte(n)“ sollen vor allem eines sein: Ein buntes Panorama Bottroper Büdchen, deren Besitzer und Kunden. Elsbeth Müller kann sich noch gut an „Omma Sandkühler“ erinnern. Die Großmutter des heutigen VHS-Direktors Uwe Dorow hatte einen Kiosk am Windmühlenweg. „Dort habe ich sonntags immer Eis geholt“, so Elsbeth Müller. Und ab und zu steckte sogar ein Pferd den Kopf über den Tresen und guckte, was drinnen so los war.
So können sich Bürgerinnen und Bürger beteiligen
Rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft soll das Buch als Band 38 der Reihe „Beiträge zur Bottroper Geschichte“ der Historischen Gesellschaft erscheinen.
Wer Infos, Bilder oder Erinnerungen beisteuern möchte, kann sich bei Elsbeth Müller melden unter elsbeth.mue@arcor.de oder vormittags von 10 bis 12 Uhr (außer montags) in der Alten Börse, Kirchhellener Straße 10. Redaktionsschluss ist im August