Bottrop. Werner Hansch war gefeierter Sportreporter, dann zerstörte ihn die Wettsucht. Der Bottroper Hermann Beckfeld hat ein Buch über ihn geschrieben.

Er war gefeierter Sportreporter, die Stimme des Ruhrgebiets, bis ihn die Wettsucht vereinnahmte, ihm Freunde und Unterstützer raubte, sein gesamtes Vermögen, sein Haus, schließlich auch die Liebe seines Lebens: Werner Hansch war jahrelang den Pferdewetten verfallen, verprasste alles, was er hatte, versank in Schulden. Nun hat der Bottroper Hermann Beckfeld, ehemaliger Chefredakteur der Ruhr Nachrichten, ein lesenswertes Buch über seinen Freund geschrieben. Es beschreibt den Aufstieg und Fall eines Mannes, der sich in der Sucht verlor.

Es ist der August 2018, als Werner Hansch seinen guten Bekannten Hermann Beckfeld anlügt, wie er schon viele zuvor angelogen hatte: Er habe einen Unfall verursacht, brauche Geld, ob Beckfeld ihm etwas leihen könne. „Ich habe noch nie jemandem privat Geld geliehen“, sagt Hermann Beckfeld heute. „Aber ihm habe ich es gegeben.“

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Hermann Beckfeld über Werner Hansch: „Er ist ein herzensguter Mensch“

Danach hört er nichts mehr von Werner Hansch, den er schon seit über 30 Jahren kennt. Ein Jahr herrscht Funkstille, Hansch reagiert nicht auf Anrufe, Briefe, bis er ihn Anfang dieses Jahres weinend anruft: Bitte schreib ein Buch über mich. Zwischenzeitlich hatte er Beckfeld sein Geld zurückgezahlt, in zerknüllten 100-Euro-Scheinen.

Hermann Beckfeld sagt zu, will Werner Hansch helfen. „Er ist ein herzensguter Mensch“, sagt Beckfeld. „Er will seinen Trümmerberg abbauen.“ Den Trümmerberg, den der heute 83-Jährige erst spät im Leben angehäuft hat, aber der die Sportreporter-Legende alles kostete.

Von der Trabrennbahn zur Glückauf-Kampfbahn auf Schalke

Mit Fußball kennt Werner Hansch sich nicht aus, als sich am 24. Februar 1973 sein Leben ändert. Er, der auf der Trabrennbahn in Gelsenkirchen Rennen kommentiert, soll einspringen für den Stadionsprecher auf Schalke. 33.000 Fans grölen in der Glückauf-Kampfbahn, zwischen ihnen Werner Hansch, der keinen eigenen Platz hat und erst im Stadion erfährt, wer überhaupt zu Gast ist: der FC Bayern München.

Hermann Beckfeld hat viele Stunden mit seinem Freund Werner Hansch verbracht, bevor er das Buch „Einmal Hölle und zurück!“ geschrieben hat.
Hermann Beckfeld hat viele Stunden mit seinem Freund Werner Hansch verbracht, bevor er das Buch „Einmal Hölle und zurück!“ geschrieben hat. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Es wird der Beginn seiner Karriere als Sportreporter, als er, geprägt vom Pferdesport, unwissend im Fußball, den Stadionsprecher mimt, die Spieler vorstellt mit den Worten: „Mit der Startnummer 1: Norbert Nigbur ...“. Das Publikum lacht, Schalke-Präsident Günter Siebert ist begeistert – und heuert ihn an. 1978 wird er Hörfunk-Reporter beim WDR, 1990 Fernsehreporter bei der ARD, kommentiert Bundesliga, UEFA-Pokal. Champions League.

Das ist die schöne Seite des Werdegangs des Mannes, der 1938, gut ein Jahr vor Beginn des Zweiten Weltkriegs, als Sohn eines Bergmanns in Recklinghausen geboren wurde. Hermann Beckfeld wechselt in seinem Buch zwischen den Perspektiven „Leben“ über eben jenen Aufstieg, den Werner Hansch geschafft hatte, und die Perspektive „Sucht“, die düstere Seite seines Lebens, die ihn zu Fall brachte.

Werner Hanschs Weg in die Wettsucht: Der Türspalt zum Buchmacherladen

Nur eine leicht geöffnete Tür ist es, der ihn in einen Recklinghäuser Buchmacherladen zieht, drei Männer erkennen ihn, die Reporter-Legende, als er durch diesen Spalt lugt. Er bekommt den „todsicheren Tipp“, setzt 20 Euro – und gewinnt. Die nächsten Jahre wird er viel Zeit in Recklinghausen verbringen, wird auf viele Pferde wetten, nicht mehr 20 Euro, sondern hunderte, tausende Euro täglich setzen. Und der todsichere Tipp wird ihn oft im Stich lassen.

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„Er hat gedacht: In meinem Wartesaal des Glücks bin ich irgendwann dran. Aber er war nie dran“, sagt Hermann Beckfeld. Viele Male hat er sich mit Werner Hansch getroffen, hat stundenlang mit ihm gesprochen. „Werner hat sich nie die Sinnfrage gestellt, was nach der Rente passiert.“ Bis 2006 kommentiert Hansch bei Sat.1, zwei Jahre später beginnt die Wettsucht.

Weil das Geld auf seinem Konto irgendwann aufgebraucht ist, bettelt Hansch sein Umfeld an, verzettelt sich in Lügen, leiht sich Geld, um andernorts Schulden zurückzuzahlen. Er verkauft sein Haus, ohne es seiner Frau Moni zu erzählen, lässt sich ein zehnjähriges Wohnrecht zusichern – bis dahin wird ihn das Glück schon finden und er kann es zurückkaufen.

König im Big-Brother-Haus: Werner Hansch gewinnt 2020 das Finale.
König im Big-Brother-Haus: Werner Hansch gewinnt 2020 das Finale. © dpa | Henning Kaiser

Die Wende, als alles öffentlich wird

Eines Nachts schläft er über seinen Wettscheinen ein. Als seine Frau ihn so findet, flüchtet sie, lässt ihn zurück in dem Haus, das er längst verprasst hat ohne ihr Wissen. Es ist der Tiefpunkt seiner Sucht – bis zu dem Moment, als alles öffentlich wird.

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Gerede hat es schon vorher gegeben, doch am 12. Februar erscheint ein Artikel in der WAZ, der Hanschs Elend für alle lesbar macht. Der Sportreporter hatte sich von Wolfgang Bosbach 5000 Euro geborgt. Der CDU-Politiker ist ein guter Freund, auch er hatte nie privat Geld verliehen, doch für Werner macht er eine Ausnahme. Aber als Bosbach sein Geld wie so viele nicht zurückbekommt, erstattet er Anzeige. Die Geschichte landet beim WAZ-Landeskorrespondenten Tobias Blasius – und schließlich in allen Zeitungen.

Lesen Sie hier:Nach Betrugsaffäre fordert SPD den Rücktritt Bosbachs

„Der Artikel in der WAZ über die Betrugsanzeige ist der Wendepunkt in Werners Leben. Er treibt ihn nicht nur in die Enge, er rüttelt ihn wach, hält ihm die Realität vor Augen; eine Wahrheit, die Werner vor Monaten sich noch nicht eingestehen wollte“, schreibt Hermann Beckfeld in seinem Buch. Ab da beginnt die Wende, „der Weg aus der Hölle“, wie er es nennt.

Werner Hansch zu Gast in Bottrop

Das Buch „Einmal Hölle und zurück! Mein brutaler Absturz in die Spielsucht“ ist im Verlag Summerfield Books erschienen und kostet 11,90 Euro.

Finanziert worden ist es von Werner Hanschs Freund Matthias Distel, der als Schlagersänger „Ikke Hüftgold“ mit ihm bei Big Brother war. Distel verzichtet auf jeglichen Gewinn aus dem Buch.

Am Montag, 20. September, ist Werner Hansch zu Gast bei „Hermanns Heimspiel bei Hürter“. Dort wird er mit Hermann Beckfeld über das Buch und seine Sucht sprechen. Karten gibt es für zwölf Euro in der Gaststätte Hürter, Gladbecker Straße 19A oder per Mail an huerter.bottrop@freenet.de.

Werner Hansch zieht ins Big-Brother-Haus – und findet zurück ins Leben

Er startet eine Therapie, zieht ins Big-Brother-Haus ein – wegen der 80.000 Euro Antrittsprämie und der 100.000 Euro, die ihn im Falle des Siegs erwarten. „Da habe ich mich für ihn geschämt“, sagt Hermann Beckfeld. Doch mit jeder Sendung sei sein Unverständnis gewichen, seine Hochachtung gewachsen. Werner Hansch erzählt dem Fernsehpublikum unter Tränen sein Geheimnis – und gewinnt die Show.

Alle Schulden sind damit noch immer nicht beglichen, doch Werner Hansch ist heute, mit 83 Jahren, auf einem guten Weg. Er hat einen eigenen Podcast, das „Hanschspiel“ zusammen mit TV-Journalist Carsten Kulawik. Er hat das Buch, das ihm Erlöse bringt, aus dem er liest und mit dem er sich für andere Süchtige einsetzt. Im Epilog erinnert sich Hermann Beckfeld an Werner Hanschs letzten Satz, an seinen größten Wunsch: „Werner möchte noch einmal einen blauen Himmel sehen.“ Er will nach vorne schauen.