Die Direktkandidaten für Bottrop und Gladbeck der im Bundestag vertretenen Parteien diskutierten unter anderem über Klimaschutz und Innenstädte.
Alle sechs Direktkandidatinnen und -kandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien waren der Einladung der WAZ-Lokalredaktionen Bottrop und Gladbeck gefolgt und stellten ihre Ziele bei einem Einzug in den Bundestag vor. Bisher vertritt Michael Gerdes (SPD) den Drei-Städte-Wahlkreis Bottrop, Gladbeck und Dorsten in Berlin. Sein größter Konkurrent um das Direktmandat am 26. September dürfte Sven Volmering (CDU) sein. Auch er saß bereits eine Legislaturperiode im Bundestag, war damals aber über die Landesliste der CDU ins Parlament eingezogen.
Unter der Moderation der Redaktionsleiterinnen Linda Heinrichkeit (Bottrop) und Tabea Beissert (Gladbeck) diskutierten Michael Gerdes (SPD), Sven Volmering (CDU), Sebastian Steinzen (FDP), Detlef Bauer (AfD), Kim Wiesweg (Grüne) und Lisa Ellermann (Linke) über Klimaschutz, Verödung der Innenstädte und Arbeitsmarkt.
Klimaschutz: Lob für das Bottroper Projekt Innovation City
Dass der Klimaschutz eine der vordringlichsten Aufgaben sei, darüber herrschte weitestgehend Einigkeit. Von allen Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmern gab Lob für das Bottroper Klimaschutzprojekt Innovation City, das nun ja auch auf Gladbeck ausgerollt wird. Hier sei schon viel geschehen, lobte Michael Gerdes die Erfolge.
Sven Volmering sieht in der Innovation City ein gutes Beispiel, wie es viel größer ausgerollt werden müsse. Gleichzeitig warnte er, die internationalen Zusammenhänge zu vernachlässigen. „Wir müssen international tätig werden“, warb er dafür, dass deutsche Kommunen ihre Erfolge über Städtepartnerschaften weit streuen. Zumindest mit der Innovation City geschehe das doch, verwies Gerdes auf die vielen internationalen Besucher des Projekts und die vielen Auftritt von Oberbürgermeister Bernd Tischler auf internationalen Veranstaltungen, wo das Interesse am Bottroper Klimaschutzprojekt groß sei.
Gerade Grünen und Linken ging das aber nicht weit genug. Sie kritisierten, dass der Verkehrssektor anders als vorher geplant, nahezu ausgeklammert wurde. Gerade hier aber sei es wichtig, CO2 einzusparen. So sprach sich Lisa Ellermann für Investitionen in den ÖPNV und den Bau von Radwegen aus. Kim Wiesweg ging auf die Frage ein, wie künftig Energie erzeugt werden soll. Hier müsse der Bunde bürgerschaftliches Engagement fördern, etwa bei Windanlage Anreize schaffen, das auch Bürger davon profitieren. Ähnlich hatte sich zuvor auch schon Michael Gerdes im Interview mit dieser Zeitung geäußert – mit Blick auf die Diskussion rund um das geplante Windrad auf der Mottbruchhalde in Gladbeck.
Für die FDP warnte Sebastian Steinzen vor zu vielen Verboten und Vorgaben. Er warb für Investitionen in neue Technologien wie synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff. Sein Ziel: „Wir wollen zeigen, wie es möglich ist, als Industrienation klimaneutral zu werden.“ Das könne Vorbild für andere Länder sein. Er sprach sich aus für den Zusammenschluss von Umwelt- und Entwicklungshilfeministerium.
Ein Streitpunkt war der angekündigte Bau der A52, der von CDU, SPD, FDP und AfD verteidigt wurde. Die Linke dagegen sprach von einem „Steinzeitprojekt“. Kim Wiesweg stellte klar, man könne nicht über Klimaschutz sprechen und dann eine Autobahn bauen.
Sven Volmering sieht die Autobahn als Chance, den Stau auf der Strecke aufzulösen, zudem biete sie aufgrund des Tunnels enorme städtebauliche Möglichkeiten für Gladbeck. Sebastian Steinzen wies darauf hin, dass sich im Verkehr Veränderungen anbahnten, die Zahl von E-Autos nehme zu, er geht von weiteren alternativen Antrieben aus, so dass eine Autobahn nicht dauerhaft klimaschädlich sein müsse, glaubt er. Für ihn ist die Autobahn auch mit Blick auf die Bedeutung für die Wirtschaft in der Region ein „Zukunftsprojekt“.
Schwierige Diskussion um die Zukunft der Innenstädte
Ein schwieriges Thema für die Diskussion. An manchen Stellen verloren sich die Teilnehmer im kommunalpolitischen Kleinklein. Denn: Ob in einem ehemaligen Kaufhaus in Bottrop ein Discounter einzieht oder nicht, darüber wird nicht in Berlin entschieden. Gleiches gilt für den Einsatz von Ordnungskräften an Gladbecker Problemhäusern oder in der Bottroper Innenstadt.
Gleichwohl, Verantwortung für die Städte müsse auch der Bund übernehmen, tue es aber auch an vielen Stellen, so Sven Volmering- Er führte einige der Förderprogramm auf, die finanzielle Hilfen für die Kommunen bereit stellten. Auch was Erleichterungen etwa im Planungsrecht angehe, könne der Bund helfen. Er brachte es auf diese Formel: „Der Bund unterstützt, das Land ist verantwortlich und die Kommunen entscheiden selbst vor Ort.“ Auch Gerdes verwies auf Gelder des Bundes, die über die Länder an die Städte verteilt werden.
Trotzdem: Den Wunsch nach attraktiven Innenstädten mit Aufenthaltsqualität, dazu sicher und ordentlich – den teilten alle Kandidatinnen und Kandidaten. Gerade bei der Sicherheit müsse etwas getan werden, forderte Detlef Bauer. Im Zweifel müsse der Bund helfen, Ordnungsdienste auszubauen. Volmering warnte, dass der Bund nicht überall zuständig sei. Wo er kann, da müsse der Bund helfen, doch das sei nur sehr eingeschränkt möglich. Inhabergeführte Geschäfte, Angebote für junge Menschen – alles nachvollziehbar aber nichts, worüber der Bundestag entscheide.
Ja selbst die Kommunalpolitik vor Ort habe es schwer, weil in der Regel Vermieter und Geschäftsleute selbst über die Ansiedlungen entschieden. Sven Volmering riet dann noch, regionale und lokale Stärken und Marken auszuspielen wie etwa die Grubenhelden in Gladbeck oder neu das Bottroper Bier.
Arbeit und Soziales: Hier beharken sich die Kandidatinnen und Kandidaten
Bei dem Themenkomplex nahm die Diskussion wieder Fahrt auf, hier beharkten sich die Kandidaten gegenseitig – insbesondere CDU und Grüne sowie Linke und SPD. Sven Volmering warf den Grünen vor, ihr Programm steuere in noch mehr Bürokratie. Er warnte vor Steuererhöhungen für Unternehmen. Vermögens- und Erbschaftssteuer gefährdeten Mittelständler und Handwerksbetriebe in ihrer Existenz. Überhaupt: Steuererhöhungen würgten die Wirtschaft ab und das sei in der jetzigen Situation fatal, so Volmerings Einschätzung. Er setze sich für Steuererleichterungen für Unternehmen ein.
Ein Satz, der bei Sebastian Steinzen Überraschung hervorrief. Habe doch Armin Laschet noch kürzlich gesagt, es gebe keine Luft für Steuererleichterungen. „Die FDP ist die einzige Partei, die Steuererleichterungen im Programm hat.“ Volmering stellte klar, dass es nach der Wahl zunächst um eine Bestandsaufnahme gehe und so ein Wahlprogramm auf vier Jahre angelegt sei.
Linken-Vertreterin Lisa Ellermann sprach die Qualität der Arbeitsplätze an, hatte dabei insbesondere die Stadt Bottrop auf dem Kieker, der sie vorwarf neben der Freizeitwirtschaft vor allem auf Logistik. Ein Vorwurf, den sie auch an Michael Gerdes richtete, der diese Linie als Ratsherr stütze.
Der widersprach, es gebe keinen Schwerpunkt Logistik. Tatsächlich ist die SPD zuletzt von den Überlegungen, auf dem Kraneburger Feld einen Logistiker anzusiedeln, abgerückt. Das Kim Wiesweg es im Gegenzug als „Idee“ verkaufte, zunächst die Bergbauflächen herzurichten und zu nutzen, machte es Gerdes leicht zu erwidern. Das geschehe schließlich gerade, sagte er mit Blick auf die Abbrucharbeiten.
Einigkeit herrschte dann wieder, dass der Bund die Infrastruktur für Unternehmensansiedlungen schaffen müsse. Darunter verstehen die einen den Bau der A 52, andere Investitionen in die Schiene und den ÖPNV, wieder andere in die Kanäle und Brücken. FDP-Mann Steinzen lenkte den Blick schließlich auf die digitale Infrastruktur, dafür sei der Bund ebenfalls verantwortlich. Er glaubt, dass die zukünftige Industrie womöglich gar nicht mehr so große Flächen und Hallen braucht. Es gehe viel mehr darum, bürokratische Hürden abzubauen.
Kim Wiesweg schlug wieder den Bogen zum Klimaschutz. Es gehe den Grünen darum, Unternehmen Unterstützung anzubieten, auf ihrem Weg zur Klimaneutralität. Ziel sei es in die Transformation zu klimaneutralen Unternehmen zu investieren – so ihre Entgegnung zum FDP-Vorwurf, das Grünen-Programm sei ein „Arbeitsvernichtungsprogramm“. Aus ihrer Sicht sei es „unseriös“ Steuererhöhungen angesichts der Kosten der Pandemie auszuschließen.
Gleichzeitig sprach sie sich – wie Lisa Ellermann – für einen höheren Mindestlohn aus. Davon profitiere die Wirtschaft.