Essen. Die Maßnahmen des Konjunkturpaketes entlasten das Ruhrgebiet um 400 Millionen Euro. Das mildert den Frust über den verpassten Schuldenschnitt

Die Enttäuschung war groß und stand manchem Kommunalpolitiker im Ruhrgebiet ins Gesicht geschrieben: Die zuletzt von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) geschürte Hoffnung auf eine Regelung der Altschuldenfrage hatte es am Ende doch nicht geschafft, den Weg in das 130 Milliarden Euro schwere Corona-Konjunkturprogramm des Bundes zu finden. Die exorbitant hohe Verschuldung von knapp einem Viertel aller deutschen Kommunen wird in dem Anfang vergangener Woche vorgelegten Corona-Rettungspapier der Großen Koalition nicht einmal erwähnt.

Es bleibt dabei: Revier schultert ein Drittel der Kreditlast

Vor allem die reichen Süd-Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg stemmten sich vehement gegen den Scholz-Vorschlag. Widerstand gab es auch aus Reihen der Union. Nun bleibt es vorerst dabei: 45 Milliarden Euro so genannter Kassenkredite türmen sich weiterhin in einem regional begrenzten Gebiet auf. Nur rund 2300 Städte und Gemeinden in vier Bundesländern sind betroffen. Ein Drittel der Kreditlast schultert allein das Ruhrgebiet.

Leiser Optimismus

Doch nach der Ernüchterung macht sich in den Revier-Rathäusern inzwischen leiser Optimismus breit. Denn erste Berechnungen zeigen, dass die anderen im Konjunkturpaket vorgesehenen kommunalen Entlastungen gerade an der Ruhr die gewünschte Wirkung entfalten dürften. Neben der Übernahme der in diesem Jahr sich abzeichnenden Gewerbesteuerausfälle der Kommunen ruhen die Erwartungen dabei besonders auf Erleichterungen bei den Sozialkosten, auf die sich die schwarz-rote Koalition geeinigt hatte. Konkret geht es um die so genannten Kosten der Unterkunft (KdU). Hier sattelt der Bund künftig ordentlich drauf: Statt wie bisher die Hälfte will Berlin künftig 75 Prozent der Zuschüsse für Miet- und Heizkosten von Sozialhilfe- und Wohngeldempfängern übernehmen. Jahr für Jahr.

392 Millionen Euro fließen ins Revier

Laut einer Aufstellung des NRW-Kommunalministeriums entlastet das alle nordrhein-westfälischen Städte und Gemeinden dauerhaft um rund eine Milliarde Euro im Jahr. Der größte Batzen – 392 Millionen Euro - fließt dabei ins Ruhrgebiet, dessen Städte seit Jahren unter besonders hohen Soziallasten ächzen. Allein Essen kann sich nun über ein Plus von knapp 60 Millionen Euro freuen. Dortmund erhält rund 54 Millionen, in Duisburg sind es fast 43 Millionen. Bochum und Gelsenkirchen erhalten jeweils um die 28 Millionen Euro.

„Dringend benötigte Spielräume"

Roland Mitschke, Bochumer Ratsmitglied und Fraktionschef der CDU im Regionalverband Ruhr spricht denn auch von „dringend benötigten Spielräumen“, die die Städte durch eine Entlastung bei den KdU endlich wieder erlangten. Mitschke forderte zudem die vier Ruhrgebietskreise auf, die Entlastungen an die kreisabhängigen Kommunen unbedingt weiterzugeben. Dies könne etwa durch eine Absenkung der von den Städten zu zahlenden Kreisumlage geschehen. Im Gegensatz zu den Großstädten entscheiden in den kreisabhängigen Kommunen die Kreisbehörden über die Verwendung von Sozialmitteln. Allein der Kreis Recklinghausen erhält dank des Konjunkturpaketes künftig mehr als 44 Millionen Euro jährlich – nahezu doppelt so viel wie der etwa gleich große Rhein-Sieg-Kreis.

Dass der Aufschlag bei den Unterkunftskosten durchaus nicht in die Kategorie „Peanuts“ fällt, macht ein Vergleich deutlich. Wäre der komplette Dortmunder Altschuldenberg abgeräumt worden, blieben der Stadt zwar gut 18 Millionen Euro an jährlicher Zinslast erspart. Die neue KdU-Regelung entlastet den Dortmunder Haushalt jetzt aber um einen fast dreifachen Betrag.

Umfrage: Kommunen pessimistisch

Insgesamt ist die Stimmung unter den Kommunen in Deutschland aber gedämpft. Neun von zehn Städten blicken pessimistisch auf die Finanzen im laufenden Jahr, vor allem wegen sinkender Steuereinnahmen. Das zeigt eine aktuelle Befragung der staatlichen Förderbank KfW. Jede zweite Kommune rechnet infolge der Corona-Pandemie demnach mit sinkenden Steuereinnahmen.

„Wir sehen in unseren Befragungen, dass fast alle Kommunen ein Einnahmeproblem erwarten, was sich negativ auf die Investitionsplanungen auswirkt“, teilte KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib mit. Die Stabilisierung der Kommunalfinanzen sei deshalb dringend erforderlich, das Konjunkturpaket komme „keine Minute zu früh“.