Bottrop/Essen/Ruhrgebiet. Der Bottroper Kabarettist Ludger Stratmann ist tot. Er hat über Jahre das Ruhrgebietskabarett geprägt und über die Region hinaus bekannt gemacht.

Dr. Ludger Stratmann ist tot. Der Bottroper Arzt, der als Kabarettist eine deutschlandweite Fan-Gemeinde hat, ist am Mittwoch plötzlich und unerwartet im Alter von 73 Jahren in seinem Haus verstorben, wie die engsten Familienangehörigen jetzt mitteilten.

Dr. Stratmann, so nannten ihn über viele Jahre, bis 1998, seine Patienten in der Praxis auf der Bottroper Prosperstraße. Dr. Stratmann, das war über ein Vierteljahrhundert sein Markenname auf der Bühne seines „heiteren medizinischen Kabaretts“, zunächst seit 1995 im Essener Europahaus, dem alten Amerikahaus mitten in der Essener Innenstadt, das er damals mit seinem Bruder Christian erworben und als „Stratmanns Theater“ eröffnete.

Ludger Stratmann bei einem Gespräch in seinem Arbeitszimmer in seinem damaligen Bottroper Wohnhaus.
Ludger Stratmann bei einem Gespräch in seinem Arbeitszimmer in seinem damaligen Bottroper Wohnhaus. © WAZFotoPool | Gerhard Schypulla

In seinen Solo-Programmen mit unverkennbarem Ruhrgebietseinschlag wie „Heute komm’ ich mal mit meinem Bein“ oder „Hauptsache, ich werde geholfen“ spielte der im ostwestfälischen Verl Geborene auf der Pott-Klaviatur, sezierte noch einmal publikumswirksam die Wehwehchen aber auch die Probleme der so genannten kleinen Leute, wie er sie von der Prosperstraße her kannte. Aber als Arzt mit Leib und Seele tat er auch als Kabarettdoktor keinem weh – wenigstens nicht ohne angemessene Betäubung.

Dr. Ludger Stratmann ist tot – Diese Bilder erinnern an ihn

Dr. Ludger Stratmann ist am 25. August an einem Herzinfarkt gestorben. Die Familie fand ihn morgens in seinem Bett.
Dr. Ludger Stratmann ist am 25. August an einem Herzinfarkt gestorben. Die Familie fand ihn morgens in seinem Bett. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
Ludger Stratmann wurde 1948 in Verl geboren. Sein Vater starb früh und die Mutter zog mit den neun Kindern nach Essen, wo Stratmann zur Schule ging und später Medizin studierte.
Ludger Stratmann wurde 1948 in Verl geboren. Sein Vater starb früh und die Mutter zog mit den neun Kindern nach Essen, wo Stratmann zur Schule ging und später Medizin studierte. © stratmann | stratmann
Später ließ sich Stratmann in Bottrop nieder, hatte bis 1998 seine Praxis in der Bottroper Prosperstraße. Er engagierte sich intensiv in der Stadt, so wie in diesem Bild, als er für die Spendenaktion
Später ließ sich Stratmann in Bottrop nieder, hatte bis 1998 seine Praxis in der Bottroper Prosperstraße. Er engagierte sich intensiv in der Stadt, so wie in diesem Bild, als er für die Spendenaktion "WAZ-pflanzt Bäume" geworben hat. © WAZ FotoPool | Jakob Studnar
Ludger Stratmann in seinem Arbeitszimmer in seinem damaligen Bottroper Wohnhaus. Seit 1971 war er mit seiner Frau Brigitte verheiratet. Die beiden haben zwei erwachsene Kinder.
Ludger Stratmann in seinem Arbeitszimmer in seinem damaligen Bottroper Wohnhaus. Seit 1971 war er mit seiner Frau Brigitte verheiratet. Die beiden haben zwei erwachsene Kinder. © WAZFotoPool | Gerhard Schypulla
Seit 1995 trat Dr. Stratmann – das war sein Markenname – im Europahaus auf, das er mit seinem Bruder Christian Stratmann gekauft und saniert hat. Sein Bruder betreibt heute den Mondpalast in Herne.
Seit 1995 trat Dr. Stratmann – das war sein Markenname – im Europahaus auf, das er mit seinem Bruder Christian Stratmann gekauft und saniert hat. Sein Bruder betreibt heute den Mondpalast in Herne. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg
Ludger Stratmann füllte Stadthallen, die Essener Grugahalle, holte schließlich ein Millionenpublikum vor die Fernsehgeräte, in „Jupp’s Kneipentheater“ im WDR mit 150 Folgen.
Ludger Stratmann füllte Stadthallen, die Essener Grugahalle, holte schließlich ein Millionenpublikum vor die Fernsehgeräte, in „Jupp’s Kneipentheater“ im WDR mit 150 Folgen. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg
2005 eine Premiere des damals neuen Programms in Essen. Ludger Stratmann wurde auf dem roten Teppich der Lichtburg von seinen Assistentinnen Rebecca (links) und Nina (rechts) empfangen.
2005 eine Premiere des damals neuen Programms in Essen. Ludger Stratmann wurde auf dem roten Teppich der Lichtburg von seinen Assistentinnen Rebecca (links) und Nina (rechts) empfangen. © CHRISTIAN KRUSKA | CHRISTIAN KRUSKA
2015 stellte Dr. Stratmann sein Programm „Pathologisch“ vor, es sollte eigentlich sein letztes werden. Dann plante er doch noch ein weiteres.
2015 stellte Dr. Stratmann sein Programm „Pathologisch“ vor, es sollte eigentlich sein letztes werden. Dann plante er doch noch ein weiteres. © FUNKE Foto Services | Sebastian Konopka
Mit „Dat Schönste zum 25.“ wollte sich Ludger Stratmann vom Bühnenleben verabschieden. Wegen Corona musste die Premiere 2020 mehrfach verschoben werden. Eigentlich waren noch zahlreiche Auftritte in diesem Herbst geplant.
Mit „Dat Schönste zum 25.“ wollte sich Ludger Stratmann vom Bühnenleben verabschieden. Wegen Corona musste die Premiere 2020 mehrfach verschoben werden. Eigentlich waren noch zahlreiche Auftritte in diesem Herbst geplant. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel
In Bottrop engagierte sich Stratmann viel für das Stenkhoff-Bad und war Schirmherr des Fördervereins. „Danke Jupp“, schreibt der Förderverein nach Stratmanns Tod auf seiner Homepage.
In Bottrop engagierte sich Stratmann viel für das Stenkhoff-Bad und war Schirmherr des Fördervereins. „Danke Jupp“, schreibt der Förderverein nach Stratmanns Tod auf seiner Homepage. © FUNKE Foto Services | Heinz Kunkel
Die damalige NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat dem Kabarettisten 2017 den Landesverdienstorden verliehen. Sie sagte: „Sie sind ein Botschafter des Ruhrpotts, ein Sympathieträger, ein Charakterkopf, der die großen und kleinen Ereignisse dieser Welt kommentiert. Sie schauen den Menschen ,aufs Maul’, halten ihnen den Spiegel vor, bringen sie zum Lachen.“
Die damalige NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat dem Kabarettisten 2017 den Landesverdienstorden verliehen. Sie sagte: „Sie sind ein Botschafter des Ruhrpotts, ein Sympathieträger, ein Charakterkopf, der die großen und kleinen Ereignisse dieser Welt kommentiert. Sie schauen den Menschen ,aufs Maul’, halten ihnen den Spiegel vor, bringen sie zum Lachen.“ © dpa | Roland Weihrauch
Im vergangenen Jahr sprach Stratmann über seinen Abschied von der Bühne: „Ich bin gespannt, wie es ist, keine Termine mehr zu haben und nicht mehr auf Abruf zu sitzen. Ich hoffe auf Entspannung.“
Im vergangenen Jahr sprach Stratmann über seinen Abschied von der Bühne: „Ich bin gespannt, wie es ist, keine Termine mehr zu haben und nicht mehr auf Abruf zu sitzen. Ich hoffe auf Entspannung.“ © FUNKE Foto Services | Julia Tillmann
Entspannung habe er seit über 20 Jahren nicht mehr gehabt. „Ich will nichts Neues mehr machen.“
Entspannung habe er seit über 20 Jahren nicht mehr gehabt. „Ich will nichts Neues mehr machen.“ © WDR | WDR
Für das Leben nach der Corona-Krise wünschte er sich: „Dass meine Frau, die schwer krank ist, und ich – dass wir noch Zeit zusammen haben. Beschwerdefrei. Und dass das Theater so erhalten bleibt.“ Ludger Stratmann starb im Alter von 73 Jahren in Bottrop.
Für das Leben nach der Corona-Krise wünschte er sich: „Dass meine Frau, die schwer krank ist, und ich – dass wir noch Zeit zusammen haben. Beschwerdefrei. Und dass das Theater so erhalten bleibt.“ Ludger Stratmann starb im Alter von 73 Jahren in Bottrop. © WAZ | Thomas Mader
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Er holte ein Millionenpublikum vor die Fernsehgeräte

Ludger Stratmann füllte Stadthallen, die Essener Grugahalle, holte schließlich ein Millionenpublikum vor die Fernsehgeräte, in „Jupp’s Kneipentheater“ im WDR mit sagenhaften 150 Folgen. Stratmanns Theater, das heute sein Sohn führt, zog daraufhin auch ein Publikum an, dass zuvor noch mit dem „Pott-Slang“ fremdelte. Auftritte bei den „Mitternachtsspitzen“ bis zu den „Missfits“, im „Kölner Treff“, bei „7 Tage, 7 Köpfe“ oder Markus Lanz machten den Doktor aus dem Pott nicht nur zu einer Kultfigur von Kabarett und Comedy, sondern auch zu einem Botschafter des Ruhrgebiets. Jugend und Schule in Essen, Studium in Bochum, Arbeit in Bottrop (und ganz kurz sogar in Gelsenkirchen): Mehr Ruhrgebiet geht kaum.

2005 eine Premiere des damals neuen Programms in Essen. Ludger Stratmann wurde auf dem roten Teppich der Lichtburg von seinen Assistentinnen Rebecca (links) und Nina (rechts) empfangen.
2005 eine Premiere des damals neuen Programms in Essen. Ludger Stratmann wurde auf dem roten Teppich der Lichtburg von seinen Assistentinnen Rebecca (links) und Nina (rechts) empfangen. © CHRISTIAN KRUSKA | CHRISTIAN KRUSKA

Natürlich gab es Auszeichnungen, wie den Ehrenpreis von „Tegtmeiers Erben“, die „Morenhovener Lupe“ und den Kulturpreis der Stadt Bottrop, seit 36 Jahren seine Wahlheimat. Die frühere NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft würdigte Dr. Ludger Stratmann anlässlich der Verleihung des Landesverdienstordens so: „Sie sind ein Botschafter des Ruhrpotts, ein Sympathieträger, ein Charakterkopf, der die großen und kleinen Ereignisse dieser Welt kommentiert. Sie schauen den Menschen ,aufs Maul’, halten ihnen den Spiegel vor, bringen sie zum Lachen.“

Ein Bottroper mit Leib und Seele

Bottrops Oberbürgermeister Bernd Tischler würdigte Stratmann als Mann, „der sich um Bottrop verdient gemacht hat“. Überall, wo er aufgetreten sei, habe er die Farben der Stadt hochgehalten. „Er war ein Bottroper mit Leib und Seele. Ich und viele Bottroper waren zurecht stolz auf ihn.“

Auch Bottrops zweiter Kabarett-Doktor, Benjamin Eisenberg, verbindet viele Erinnerungen mit dem Verstorbenen. Besonders präsent ist ihm noch ein Auftritt Stratmanns in einer Jubiläumsshow von Comedy im Saal. „Er hatte vorher schon einen Auftritt in Essen und ist dann noch zu uns gekommen. Das war eine Riesenehre“, erinnert sich Eisenberg – ebenso an den großen Erfolg von Stratmanns Auftritt. „Er hat eine Schlussnummer gespielt und mal eben den Saal auf links gedreht.“ Eisenberg würdigt die Verdienste Stratmanns. „Ludger und sein Alter Ego Jupp haben das Ruhrgebietskabarett geprägt. Die Nummern über sprachliche Verwechslungen im Ruhrpott-Dialekt sind Glanzstücke.“

Außerdem erinnert Eisenberg an Stratmanns Einsatz für das Stenkhoffbad. Als Schirmherr des Fördervereins hat Stratmann sich für den Erhalt des Freibads in Bottrop eingesetzt – auch weil er persönliche Erinnerungen mit dem Bad verband. Hier habe er nämlich seine Frau kennen gelernt, wie der Stratmann gern erzählte.

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Eigentlich hatte Ludger Stratmann schon länger ans Aufhören gedacht, etwas kürzer getreten ist er zuletzt ohnehin. Offen sprach über seinen hohen Blutdruck, seinen Herzschrittmacher aber auch über Corona und dass er in über 70 Lebensjahren etwas Ähnliches nie erlebt habe.

Eigentlich waren noch sechs Auftritte geplant

Er machte sich Gedanken über sich, seine Frau und die Zeit nach der Pandemie. Sein Wunsch für die Zeit nach Corona, dass er mit seiner schwerkranken Frau noch eine Zeit ohne Beschwerden zusammen haben werde, geht nun nicht mehr in Erfüllung. Seine Ehefrau und Tochter haben Ludger Stratmann am Mittwochmorgen in seinem Bett gefunden - friedlich eingeschlafen. Ein Tod, wie er ihn sich gewünscht habe, so die Familie. Dabei hatte er für die nächsten Wochen noch sechs Auftritte geplant.