Kirchhellen. Fünf Bundestagskandidaten befragte die Kolpingsfamilie zu Themen, die ihr wichtig sind. Richtig in Fahrt kam die Debatte beim Thema Schule.

Erfolgserlebnis für die Kolpingsfamilie Kirchhellen: Sie hatte ein volles Haus im Hof Jünger, als sie fünf Direktkandidaten vor der Bundestagswahl am 26. September zu Themen befragte, die ihr am Herzen liegen: Familienpolitik, Schule, Rente und Klimaschutz. Auch dank der straffen Moderation von Hans-Gerd Schaal wurde der Abend zu einer echten Orientierungshilfe für die Wahlentscheidung. Immerhin sagten zuletzt rund 26 Prozent der befragten Wähler, sie hätten sich noch nicht entscheiden.

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Alle verfügbaren Sitze im Theatersaal im Hof Jünger waren besetzt, als die fünf Kandidaten auf dem Podium diskutierten. „Wir sind ausverkauft“, meldete Kolping-Vorstand Thomas Stewering vor Beginn der Diskussion - und musste in letzter Minute ein corona-konformes Plätzchen für CDU-Chefin Anette Bunse finden.

Fünf Kandidaten eingeladen

Eingeladen hatte die Kolpingsfamilie Sven Volmering (CDU), Michael Gerdes (SPD), Lisa Ellermann (Linke), Kim Wiesweg (Grüne) und Sebastian Steinzen (FDP). Bewusst hatte sich die Kolpingsfamilie gegen eine Einladung der AfD entschieden, sagt Stewering: Einer Partei, die den Holocaust bagatellisiere, wolle Kolping kein Forum bieten.

Als zentralen Oberbegriff hatte Kolping den Zusammenhalt der Gesellschaft über die Diskussion gestellt. Daraus leitet sich in Coronazeiten die Frage ab: Was hat Corona mit Familien gemacht? Einig waren sich alle Kandidaten: Die Pandemie habe die soziale Spaltung der Gesellschaft vertieft. Und Schule habe das kaum auffangen können, weil sie für die digitale Teilhabe an Schulbildung zu schlecht aufgestellt gewesen sei.

„Wir haben das ganze Konzept verpennt“

Hier brachte Sven Volmering Feuer in die Debatte, indem er die Schuld daran den Städten Bottrop, Dorsten und Gladbeck gab: „Der Bund hat fünf Milliarden Euro für den Digitalpakt bereitgestellt. Wir haben das ganze Konzept verpennt, und das ist uns auf die Füße gefallen.“ Die Städte hätten die Digitalisierungs-Fördergelder nicht abgerufen. Sebastian Steinzen hielt dagegen: „In Gladbeck ist jeder Cent abgerufen worden.“ Aber viel zu spät, konterte Volmering.

Mit dem Thema Schule kam Schwung in die Debatte, auch durch Beiträge aus dem Publikum. Heftig debattiert wurde zum Beispiel über die Frage, wie Lehrerinnen und Lehrer fit gemacht werden können für die Digitalisierung. Ein kurzer Ausschnitt: „Wir müssen die Lehrer lebenslang weiterbilden“, fordert Steinzen. Wie soll das gehen, wenn die Schulen kaum Geld hätten für Fortbildungen, fragte Volmering. Das zu finanzieren, wäre Aufgabe des Landes. Michael Gerdes machte einen pragmatischen Vorschlag: Warum sollten nicht Techniker Lehrer unterstützen?

Nachwuchs für Handwerksberufe

Ein weiteres Schulthema: Wie können mehr Schüler für einen Handwerksberuf begeistert werden angesichts des immer dramatischeren Nachwuchsmangels? Das wurde auch nach der Debatte im Bauerngarten weiter diskutiert. Die Kolpingsfamilie und ihre Ausbildungspaten haben an der ausgelaufenen Hauptschule viel getan, um Arbeitgeber und Schüler zusammenzubringen. Diese Bemühungen sollten etwa an der Sekundarschule eine konsequente Fortsetzung finden, forderte die CDU-Chefin nach der Diskussionsrunde.

Da muss aber noch mehr passieren, sagt Michael Gerdes: Eine Mindestausbildungsvergütung müsse her, und der Weg zum Meister müsse kostengünstiger werden. In einigen Berufen sei schon viel gewonnen, wenn die Prüflinge nicht die Kosten für ihr Meisterstück nicht selbst tragen müssten. Aber auch die Zugangsvoraussetzungen zum Beruf müssten stimmen: „Mit einer Fünf in Mathe macht eine Ausbildung etwa zum Mechatroniker keinen Sinn.“

Keine Überraschungen für parteipolitisch Informierte brachte die Renten-Fragerunde. Sven Volmering verwies auf die große Rentenkommission, die die Alterssicherung zukunftssicher machen soll. „Wir wollen eine Bürgerversicherung“, sagt Gerdes für die SPD. Steinzen plädierte für eine kapitalmarktfinanzierte dritte Säule der Alterssicherung. Kim Wiesweg will Beamte und Selbstständige in die Rentenkasse einzahlen lassen, Lisa Ellermann fordert die Mindestrente von 1200 Euro.

„Wasserstoff ist das neue schwarze Gold“

Eine politische Debatte ist derzeit kaum denkbar ohne eine Fragerunde zum Klimawandel. Einige waren sich die fünf Bundestagskandidaten, dass Wasserstoff eine Schlüsselrolle bei der Verkehrswende spielen werde. Michael Gerdes, Bundestagsabgeordneter mit Bergbauvergangenheit, fasste die Einschätzung in der Politikerrunde so zusammen: „Elektromobilität ist eine Übergangstechnologie. Wasserstoff ist für mich das neue schwarze Gold.“

Moderator Hans-Gerd Schaal hatte der Grünen Kim Wiesweg das erste Wort zu diesem Thema überlassen. Ebenso wie die Linke Ellermann fordert sie ein Vorziehen des Kohleausstiegs. Die Grünen wollen zudem Solar- und Windkraft massiv fördern. Lisa Ellermann fordert zudem Investitionen in den öffentlichen Personennahverkehr, unter dem sie derzeit leidet. Ihre Einschätzung: „Bus und Bahn sind zu teuer, zu schlecht und zu unzuverlässig.“ Gerade im Ruhrgebiet lohne sich das Nachdenken über eine „neue Art von ÖPNV über Zechen- und Hafenbahnen“, regt Gerdes an.

Die Kandidaten von CDU und FDP weisen darauf hin, dass Deutschland allein das Klima nicht retten könne. „Wir werden das Problem nicht in Bottrop, Dorsten oder Gladbeck lösen“, sagt Volmering und rechnet vor: „China bläst in einem Jahr mehr Schadstoffe raus, als Deutschland in den vergangenen 15 Jahren eingespart hat.“ Klimaschutz müsse internationalisiert werden, fordert auch Steinzen: „Eine Milliarde Euro in Afrika zu investieren bringt mehr, als in Bottrop mit Fahrverboten anzufangen.“