Bottrop-Kirchhellen. Aktuell es ruhig um Wölfin Gloria in Kirchhellen, Hünxe und Dinslaken. Doch die Zeit der Risse könnte bald beginnen. Ein Besuch im Wolfsgebiet.

Fünf Monate ist der letzte nachgewiesene Nutztierriss der Wölfin Gloria her. Am 1. März, so steht es im Register des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv), hat die Wölfin „GW954f“ ein Schaf in Dinslaken getötet. Seitdem ist es ruhig geworden um Gloria, sieht man ab von der skurrilen Nachricht, dass ihr Welpe von Spaziergängern für einen Hund gehalten, mit nach Hause genommen und dort shampooniert wurde.

Doch nun steht die Zeit an, in der es wieder zu Rissen kommen könnte, eigentlich hat sie sogar schon begonnen. Glorias Welpen – gesichtet worden ist vom Wurf aus diesem Jahr bislang nur ein Weibchen – sind im späten Frühjahr geboren. Bis zu drei Monate werden sie gesäugt, danach beginnt ihr Fleischhunger und die Wölfin muss verstärkt auf die Jagd gehen.

Wölfin Gloria: Mehrere Risse im Sommer 2020 in Kirchhellen, Hünxe und Dinslaken

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So begann im vergangenen Jahr, in dem Gloria mindestens ein männliches Junge aufgezogen hat, Ende Juni eine Reihe von Rissen in der Region rund um Kirchhellen, Hünxe und Dinslaken. „Die Welpen können selbst noch nicht richtig jagen, müssen aber gefüttert werden“, erklärt Rolf Fricke vom Bottroper Naturschutzbund (Nabu). Auf den Spuren Glorias sind wir mit ihm durch die Wälder der Region gelaufen.

Der Nabu bezeichnet sich selbst als wolfsfreundlich. Im Gegensatz dazu stehen die Wolfgegner, vereint unter anderem im Gahlener Bürgerforum. Viele, die sich wünschen, dass der Wolf abgeschossen wird, sind Bauern und Hobby-Schäfer, die um ihre Tiere fürchten. Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht wies im Mai die Klage eines Hünxer Bauern ab, die Wölfin zum Abschuss freizugeben. Ein ernsthafter wirtschaftlicher Schaden entstünde durch ihre Risse nicht, urteilten die Richter.

Wolfsabweisende Zäune: Nicht alle entsprechen den Vorgaben

Schützen vor Wolfrissen können sich Schäfer und Bauern durch entsprechende Zäune. 1,20 Meter hoch sollen sie sein, unter Strom gesetzt mit mindestens 3000 Volt, besser noch 5000 Volt. Beim Spaziergang durch die Wälder rund um Kirchhellen fällt auf: Nicht alle Zäune entsprechen diesen Vorgaben.

Kein Strom drauf: Rolf Fricke vom Bottroper Nabu zeigt, dass nicht alle Zäune den Anforderungen entsprechen.
Kein Strom drauf: Rolf Fricke vom Bottroper Nabu zeigt, dass nicht alle Zäune den Anforderungen entsprechen. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Bei manchen fließt kein Strom, bei anderen ist das Tor nicht gesichert, teils fehlt der Untergrabe-Schutz, so dass sich das Tier unter der niedrigsten Litze hindurch winden könnte. „Von Natur aus springt ein Wolf nur in Ausnahmefällen“, sagt Rolf Fricke. „Außer er hat gelernt, dass hinter dem Zaun ein leckeres Schaf steht.“

Dass Gloria springt und dies auch ihren Welpen beibringt: Das ist die große Sorge der Anwohner. Allerdings bleiben die Welpen nicht im Revier; der junge Rüde, den Gloria 2020 geboren hat, wurde mittlerweile in Belgien genetisch erfasst. Dauerhaft angesiedelt hat sich nur die Mutterwölfin und der Vater der Welpen mit der Kennung GW1587m.

Dass sie sich hier in großen Mengen vermehren, ist ausgeschlossen. Das Gebiet zwischen den Autobahnen, zwischen Schermbeck, Dinslaken, Hünxe und Kirchhellen, in dem Gloria sich aufhält, ist rund 900 Quadratkilometer groß – zu klein, als dass ein weiteres Rudel geduldet würde.

Keine Gefahr für den Menschen: „Wölfe haben ein vierbeiniges Beuteschema“

Der Weg auf den Spuren Glorias führt vorbei am Reiterhof Reßing, entlang der Straße Hoher Wardweg auf Hünxer Gebiet. Hier hat Gloria im Jahr 2019 mehrere Schafe gerissen, der Zaun soll den Anforderungen entsprochen haben, nach Vorgaben des Lanuv erbaut worden sein. Dass sich daraufhin auch Sorge beim Reiterhof breit gemacht hat, wo regelmäßig Kinder ihre Freizeit verbringen, dass Eltern ein mulmiges Gefühl haben, kann Rolf Fricke verstehen. „Aber Kinder und Wolf haben nichts miteinander zu tun. Wölfe haben ein vierbeiniges Beuteschema.“ Seitdem der Wolf wieder in Deutschland ist, hat es nie einen Angriff auf einen Menschen gegeben.

Und auch wenn die Zäune nach allen Vorgaben gebaut sind: Schwachstellen könne es im Stromnetz geben. Steht beispielsweise das Solarpanel, über das sich der Zaun speist, nicht ausreichend in der Sonne, kann die Spannung nachlassen.

Auf einer Weide in der Nähe des Reiterhofs Reßing hat Gloria mehrere Schafe gerissen. Jetzt ist hier nur noch Mais eingezäunt.
Auf einer Weide in der Nähe des Reiterhofs Reßing hat Gloria mehrere Schafe gerissen. Jetzt ist hier nur noch Mais eingezäunt. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Wölfe suchten sich die schwächste Stelle im Zaun aus: Das kann ein Heuballen neben dem Zaun sein, der als Absprunghilfe dient, ein unzureichend gesichertes Tor. Bei dem Pony-Riss in Kirchhellen heißt es, dass ein Teil des Zaunes nicht die erforderliche Höhe hatte.

Sind die Zäune besser geworden oder jagt Wölfin Gloria effektiver?

Eine Individualisierung der Wölfe sei laut Lanuv damals nicht möglich gewesen, der Halter des Shetland-Ponys hatte auf seiner Kamera zwei Tiere festgehalten – vermutlich Gloria und ihr Partner. Auch in Hünxe, wenige hundert Meter vom Reiterhof Reßing entfernt, kam ein Pony zu Tode, gerissen am 4. Januar dieses Jahres. Auch hier wird vermutet, dass beide Wölfe beteiligt waren.

Förderungen für Wolfsschutz

Maßnahmen, die Tierhalter vor dem Wolf schützen sollen, werden vomLand NRW gefördert. Die Förderrichtlinien regeln auch die Entschädigung bei Tierverlusten.

Halter von Schafen und Ziegen oder Betreiber von Wildgehegen können in Wolfsgebieten Fördermittel für den Erwerb von Elektrozäunen und die wolfsabweisende Optimierung bestehender Zäune beantragen. Keine Zuschüsse gibt es bislang für Mutterkuhherden, allerdings ist die Gefahr für Kälber aufgrund der Herde um sie herum sehr gering. Eine ausgewachsene Kuh ist zu groß für einen Wolf.

Gefördert vom Land wird lediglich das Material, nicht die Arbeitszeit, die in den Bau eines wolfsabweisenden Zauns gesteckt werden muss. Die Organisation Wikiwolves(www.wikiwolves.org) bietet aber kostenlose Hilfe beim Herdenschutz an.

„Viele Halter sind daran gewöhnt, ihre Tiere am Weglaufen zu hindern“, sagt Fricke. „Aber sie sind nicht ausreichend von außen geschützt.“ Profi-Schäfer kalkulierten eine gewisse Zahl an Rissen ein, wohingegen Hobby-Schäfer oft einen persönlicheren Bezug zu ihren Tieren haben.

Woran es liegt, dass es in diesem Sommer bislang ruhig um Gloria geblieben ist, könne verschiedene Gründe haben, sagt Fricke. „Entweder sie jagt nun effizienter im Wald oder die Zäune sind besser geworden oder es liegt an der Jahreszeit und die Welpen sind noch nicht groß genug.“ Im September, Oktober sind sie allerdings ausgewachsen, haben einen großen Hunger, können aber noch nicht selbst jagen. Dann wird sich zeigen, ob erneut ein Konflikt der Wolfsgegner und -befürworter ausbricht.