Kirchhellen. Die Stadt sieht derzeit keine Grundlage, Wölfin „Gloria“ zum Abschuss freizugeben. Das dürfte die Debatte um die „Problemwölfin“ weiter befeuern.

Auch in Bottrop liegt jetzt ein Antrag auf Abschuss der Wölfin Gloria vor. Die Untere Naturschutzbehörde sieht aber derzeit die Voraussetzungen für eine Abschuss nicht gegeben. Das Bürgerforum Gahlen hat neue Belege für ihre Einschätzung vorgelegt, die Wölfin könne sehr wohl Herdenschutzzäune überspringen. Deshalb sei ein Abschuss gerechtfertigt. Auch der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband WLV fordert die Abschuss. Naturschutzverbände wie BUND und Nabu lehnen den Abschuss ab.

Vor der Sitzung des Naturschutzbeirates am Montag hat die Verwaltung ihre Einschätzung der Rechtslage vorgelegt. Nachgewiesen im Wolfsgebiet sind außer Gloria ein männlicher Wolf (GW1587m, seit Frühjahr 2020) und seit Herbst 2020 ein Welpe. Nach Ansicht der Stadt ist es aber „wahrscheinlich, dass der bestätigte Welpe noch Geschwister hat“.

„Rudel ernährt sich hauptsächlich von Wildtieren“

Zur Bewertung des „Schermbecker Rudels“ verweist die Stadt auf die Stellungnahme der „Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf“ (DBBW). Die hat sich unter anderem mit der Frage beschäftigt, ob die Wölfin ihre Erfahrungen beim Reißen von Nutztieren an ihr Rudel weitergebe. Das könne bisher nicht bestätigt werden.

Nach Einschätzung der Gutachter ernähre das Rudel sich hauptsächlich von Wildtieren, Nutztierrisse seien die Ausnahme. Bei den Rissen handele es sich außerdem mehrheitlich um nicht oder nicht ausreichend geschützte Nutztiere. Ausnahmen: 2019 und 2020 gab es jeweils zwei bestätigte Tötungen von Nutztieren hinter empfohlenen Herdenschutzmaßnahmen. Da diese Rissereignisse jedoch nicht in enger zeitlicher Abfolge stattfanden, könne hier von seltenen Ereignissen gesprochen werden.

„Sehr hoher rechtlicher Schutzstatus“

Der Wolf genieße als streng geschützte Art einen sehr hohen rechtlichen Schutzstatus, sodass vor einer Entnahme alle anderen zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen seien, sagt die Bottroper Behörde. Die massive Ausweitung der Schutzmaßnahmen mit Einsatz von elektronischen Weidezäunen stehe an erster Stelle. Auch Halter von kleinen Pferde- oder Rinderrassen können sich bei der Landwirtschaftskammer beraten lassen. Es gelte zu verhindern, dass das Rudel anhand ungeschützter oder nicht ausreichend geschützter Nutztiere lernt, auch empfohlene Herdenschutzmaßnahmen zu überwinden.

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Das braucht Gloria nicht mehr zu lernen, das kann sie längst, sagt die Arbeitsgruppe Wolf des Bürgerforums Gahlen, zu deren Sprechern auch Bernhard Steinmann vom Olympiahof gehört. Jüngstes Beispiel sei die Tötung eines Kamerunschafes in der Nacht zum 1. März in Dinslaken. Nach einem Wolfsriss im Dezember hätten die Halter aus eigenen Mitteln einen 1,50 Meter hohen Zaun installiert und unter 7000 Volt Spannung gesetzt. Eckhard Vornbrock vom Bürgerforum: „Da ein mobiler Elektrozaun nicht über klettert werden kann, ohne sichtbare Spuren zu hinterlassen, ist wieder einmal mehr die logische Schlussfolgerung, dass Gloria problemlos Zaunhöhen von 1,30 m und mehr überspringt.“

„Und Gloria springt doch!“

Als weiteren Beleg für die Einschätzung „Und Gloria springt doch!“ hat das Bürgerforum auf seine „Wolfskarte Gahlen“ im Netz den Zusammenschnitt eines Videos gestellt. Es entstand nach Angaben der Arbeitsgruppe Wolf am 15. Januar auf einer Koppel in Kirchhellen mit einem Island- und einem Shetlandpony. Drei Wölfe sind darauf erkennbar, einer von ihnen überwindet augenscheinlich zweimal einen 1,35 Meter hohen Zaun. Die Sprünge selbst sind allerdings nicht zu sehen.

Wölfe überwinden Herdenschutzzäume, und sie können diese Erfahrung weitergeben. Das ist auch die Einschätzung des Wolfsbeauftragten beim Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV), Wilhelm Brüggemeier: „Seine Beute ist den Attacken des anpassungs- und lernfreudigen Räubers trotz gut gemeinter Schutzvorrichtungen faktisch ausgeliefert.“ Deshalb fordert auch der WLV, Wölfe zum Abschuss freizugeben und Tierhalter nach Rissen zu entschädigen.

Wer entscheidet über einen Abschuss?

Die Entscheidung, ob der Wolf entnommen werden darf oder nicht, kann die Bottroper Naturschutzbehörde nach eigener Einschätzung nicht alleine treffen, Sie müsse mit weiteren Stellen abgestimmt werden. Dazu zählten das Landesamt für Naturschutz Lanuv, das NRW-Umweltministerium und alle anderen betroffenen Kreise und Städte im Wolfsgebiet Schermbeck.

Für weitere Fragen zum Thema Wolf steht der Fachbereich der Stadtverwaltung über zur Verfügung. Nähere Informationen zum Thema können auf der Internetseite www.bottrop.de/wolf abgerufen werden.