Kirchhellen. Es ist besser geworden, aber noch lange nicht vorbei. Das ist die Bilanz des Fachbereichs Grün zum Befall von Eichen mit Prozessionsspinnern.

„Kirchhellen ist auch dieses Jahr voll mit Raupen des Eichenprozessionsspinners. Aber wir haben die Plage halbwegs im Griff.“ So bilanziert Kai-Uwe Dahm, der Herr der städtischen Straßenbäume, die Raupen-Saison. Besonders an der Bottroper Straße sei es „deutlich besser geworden“, weil dort Straßen NRW im Frühjahr die Bäume mit einem Biogift besprüht hat. Grundsätzlich habe in Bottrop das kalte und feuchte Frühjahr, hatte Fachbereichsleiter Ulrich Kollath schon im Juni gemeldet „hat uns mehr geholfen als alle anderen Maßnahmen“.

Die Biozideinsätze im Frühjahr sind seit Jahren ein Diskussionsthema zwischen Umweltämtern und Forstwissenschaftlern. Selbst im Horror-Sommer 2018, als die giftigen Nesselfäden der Raupen fast überall im Dorf zu sehen waren, sagte Forstwissenschaftler Johannes Gerst von der Regionalverbandstochter RVR Ruhr Grün: Der Biozideinsatz sei aus ökologischer Sicht nicht notwendig, denn der Raupenbefall schädige die Bäume nicht dauerhaft.

Der Landesbetrieb Straßen NRW hat 2020 Nistkästen in Kirchhellen aufgehängt.
Der Landesbetrieb Straßen NRW hat 2020 Nistkästen in Kirchhellen aufgehängt. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Seit 2019 greift die Stadt zur Giftspritze

Das mag ja so sein, sagen Dahm und seine Kollegen aus dem Fachbereich Umwelt. Doch um Menschen vor den Brennhaaren zu schützen, die schwere allergische Reaktionen auslösen können, greift die Stadt seit 2019 wieder zur Giftspritze. Das tut auch der Landesbetrieb Straßen NRW. Der hatte für den Gifteinsatz 2019 Spuren an der A 31 gesperrt. Der Betrieb besprüht auch die Bäume an der Bottroper Straße, wo die Eichen regelmäßig befallen werden und den Radweg flankieren, den viele Kinder für ihren Schulweg nutzen. Der Landesbetrieb sprüht im Frühjahr und kontrolliert die Standorte nach zwei Wochen. Wenn nötig, werde dann erneut behandelt.

Die Idee dahinter: Durch den frühen Einsatz des Gifts soll verhindert werden, dass die Eichenprozessionsspinner ihre Brennhaare entwickeln und an Orten verbreiten, an denen Menschen mit ihnen in Berührung kommen können. Zudem schone der frühe Einsatz des Mittels andere Schmetterlings- und Falterarten, deren Raupen in der Regel erst einige Wochen später schlüpfen.

Die Stadt hat zudem 2020 eine Art Falle für die Raupen getestet. Die funktioniert so: Um die Baumstämme wird eine Manschette gelegt. Die können die Raupen nicht überwinden, sie krabbeln deshalb an ihr entlang, bis zu einer Art Trichter oder Fallrohr. Durch das rutschen sie dann in einen schwarzen Plastikbeutel. Zusätzlich angelockt würden die Tiere noch durch die natürlichen Aromen der Stieleiche, verspricht der Hersteller.

Kohlmeisen sollen die Raupen fressen

Auch interessant

Ebenfalls seit 2020 setzen Landesbetrieb und Stadt auf natürliche Verbündete im Kampf gegen die Raupen. 300 Nistkästen hat der Landesbetrieb im Frühjahr 2020 in Kirchhellen und am Köllnischen Wald in die Bäume gehängt in der Hoffnung, die Kohlmeise möge dort nisten. Für diesen Plan hat auch der Fachbereich Umwelt die Unterstützung der Politik gefunden und inzwischen 40 Nistkästen im Dorf aufgehängt.

Trotz Gift und Nistkästen sind die Prozessionsspinner wieder weit verbreitet in diesem Jahr, sagt Dahm. Schwerpunkte habe es gegeben am Sensenfeld und zwischen Altem Postweg, Münster- und Dinslakener Straße. Sobald der Befall von Eichen an Schulen, Kindergärten, Spielplätzen gemeldet wird, alarmiert die Stadt eine Fachfirma. Die saugt die Netze voller Raupen dann aus den Bäumen.

Das wird auch künftig das Mittel der Wahl bleiben an Orten, wo viel Publikumsverkehr herrscht, sagt der Baumexperte. An den Sieg der Kohlmeisen über die Raupen mag er nicht so recht glauben. „Das funktioniert nur, so lange die Raupen ziemlich klein sind. Und wir haben schon Nistkästen gefunden, die von den Netzen der Raupen überwuchert waren.“ In diesen Fällen haben dann wohl die Raupen gewonnen.

Auch Raupen profitieren vom Klimawandel

Nach Einschätzung der Schutzgemeinschaft deutscher Wald profitieren die Raupen des Eichenprozessionsspinners vom Klimawandel: Der Nachtfalter „bevorzugt warm-trockenes Klima und breitet sich aufgrund der Klimaveränderungen immer stärker in Deutschland aus.“

Eigentlich bevorzugten die Raupen Einzelbäume, Bestandsränder und lichte Eichenwälder. Die Erfahrung der Schutzgemeinschaft: In Trockenjahren wie 2018 und 2019 „kann es zu Massenvermehrungen kommen und dann befällt der Falter auch jüngere Bäume und große geschlossene Waldgebiete“.