Bottrop. Die beliebte Zirkusfamilie gastiert in Bottrop an der Bogenstraße. Wegen Corona kämpfte sie um die Existenz. So hat sie die Krise gemeistert.
Udo Jürgens sang einst: „Der Zirkus darf nicht sterben“. Die gute Nachricht: Er hat überlebt. Der Kinderferiencircus der Familie Jonny Casselly ist wieder in der Stadt. Am 5. Juli geht es los.
Aber der Weg zurück in eine gefühlte Normalität war für die Familie hart. Die Pandemie hat Narben auf der Seele hinterlassen. Keine Auftritte in Gegenwart von Publikum, kein Applaus, finanzielle Einbrüche, schlaflose Nächte und immer wieder die bangen Fragen: „Wie und wann soll es weitergehen?“
Zirkusfamilie Casselly existiert seit acht Generationen
„Wir hätten nie damit gerechnet, dass so etwas passiert“, sagt Stefani Casselly. Ihre Familie lebt seit acht Generationen für den Zirkus. Sofort- und Überbrückungshilfen werden beantragt und lassen lange auf sich warten. Die Kosten für Tierfutter oder Versicherungen für das Zelt und die Fahrzeuge laufen weiter. „Das war alles nicht einfach für uns, aber wir haben versucht, das Beste daraus zu machen.“ Es kommen Existenzängste. „Man möchte das alles nicht aufgeben. Es ist ja nicht nur unser Beruf, das ist unser Leben. Wir wollen nichts anderes machen.“
Auch interessant
Ein anderes Leben kommt für sie auch gar nicht in Frage. Vor Corona sind sie jedes Jahr pausenlos mit ihrem Tross unterwegs. Die Saison startet im Februar und dauert bis Anfang Dezember. Es folgen Weihnachtsshows, für die sie national und international gebucht werden. Nur im Januar haben sie ein paar Tage frei. Wobei frei nicht ganz richtig ist. „Beim Zirkus gibt es immer etwas zu tun“, sagt Stefani Casselly. Reparaturen stehen an, Kostüme müssen erneuert werden, jemand kümmert sich um die Tiere und die normale Hausarbeit wie Wäschewaschen muss ebenfalls erledigt werden. Die neue Tournee wird geplant. Dann kommt Corona und zieht den Stecker.
Bürgerliches Leben kommt für die Zirkusfamilie nicht in Frage
„Ein komisches Gefühl“, sagt die Tochter von Familienoberhaupt Jonny Casselly. Nach und nach werden die zirkustypischen Aufgaben erledigt. Aber es ist kein Licht am Ende des Corona-Tunnels. Stirbt der Zirkus? Corona zwingt die Familie zum Umdenken. Sollen die Artisten, Zauberer und Clowns wegen der Pandemie einen bodenständigen Beruf erlernen? Allein die Vorstellung, ein bürgerliches Leben zu führen mit Garten, Haus und Garage – für die Familie keine Option. Bei dem Gedanken daran muss Stefani Casselly lächeln: „Das geht nicht.“
Auch interessant
Die Tiere sind unterbracht bei einer befreundeten Tierärztin in Essen und in einem Reitstall in Schwelm. Neue Formate müssen ins Leben gerufen werden. Unter anderem begeistern sie die Zuschauer beim Auto-Kino-Zirkus in Recklinghausen. Auch Dieter Bohlen kann sich von den akrobatischen Künsten überzeugen. Bei der RTL-Show „Das Supertalent“ unterhalten Antonio, Alfons, der kleine Luis und Co. in ihrer Rolle als „Alte Kameraden“ mit Kunststücken auf der Bühne. Der Auftritt überzeugt die Jury: vier Ja-Stimmen.
Home Circus wird ins Leben gerufen
Große Aufmerksamkeit erregen sie beim Home Circus. Mit der Familie des Circus Rondel stehen sie für die Internet-Show vor der Kamera. Zuschauer können Tickets erwerben, die Show im Stream verfolgen und sie erhalten einzigartige Einblicke hinter die Kulissen. Udo Jürgens Lied wird bei einer Aufführung gespielt. Und endlich geht das Licht im Zelt und in der Manege wieder an, wenn auch ohne leibhaftiges Publikum. Einige Familienmitglieder werden überwältigt von ihren Gefühlen. „Wir hatten Tränen in den Augen“, sagt Stefani Casselly. Drei Worte, die alles beschreiben: „Wir durften arbeiten.“
Aber es folgen Rückschläge. Der Kinderferiencircus im Frühjahr dieses Jahres in Kirchhellen wird zum zweiten Mal nach 2020 abgesagt. Das drückt auf die Stimmung. „Wir waren geknickt“, sagt Stefani Casselly. „Wir haben darauf hingefiebert, gehofft und gebetet.“
Der Kinderferiencircus auf dem Festplatz an der Bogenstraße findet dagegen statt. Die sinkenden Inzidenz- und Coronazahlen machen dies möglich. „Pure Freude und richtige Glücksgefühle“, beschreibt Stefani Casselly ihren Gemütszustand. Seit fast 30 Jahren kommt die Zirkusfamilie nach Bottrop. Die Stadt ist längst zu einer zweiten Heimat geworden.
Zirkusfamilie macht keine Hausbesuche
Immer wieder ist die Zirkusfamilie Jonny Casselly in der Vergangenheit angesprochen worden, dass „Mitarbeiter“ ihres Zirkus’ an Haustüren geschellt und um finanzielle Spenden gebeten hätten.
Offenbar handelt es sich um Spendenbetrüger. Denn die Zirkusfamilie Casselly möchte dazu klarstellen: „Das ist keiner von uns. Wir machen keine Hausbesuche.“
Wer mit Spenden helfen möchte, kann sich gerne bei der Familie persönlich melden. Mehr Infos zur Zirkusfamilie Jonny Casselly unter www.casselly.de.