Kirchhellen. Aus der Dorfmitte sind die streng geschützten Vögel fast verschwunden. Aber vier Paare haben neue Brutreviere am Boye-Oberlauf gefunden.

Der Kiebitz hat eine neue Heimat gefunden in Kirchhellen. Vier Paare sind heimisch geworden im Naturschutzgebiet Schlehdorn/Kirchhorst. Dazu beigetragen haben der Emscher-Umbau im Bereich der Boye von 2005 bis 2009, die Unterschutzstellung des mehr als 53 Hektar großen Gebietes 2015 und die gemeinsamen Bemühungen von RAG, Emschergenossenschaft und Stadt, die Vernässungen durch Bergsenkungen und Sturmschäden in geordnete Bahnen zu lenken.

Einst war der Kiebitz in vielen Gebieten Deutschlands heimisch, doch heute gelten seine Bestände als stark gefährdet. Grund dafür ist der Verlust von Brutplätzen – im Dorf etwa durch das wachsende Neubaugebiet Schultenkamp.

Hochwasser- und Artenschutz

Im heutigen Naturschutzgebiet Schlehdorn verband die Emschergenossenschaft Maßnahmen zum Hochwasserschutz mit der Schaffung eines neuen Lebensraumes für zahlreiche Arten. Im Jahr 2005 begannen die Maßnahmen an der Boye und der Bau der Retentionsräume „Am Schleitkamp“ und „Hohe Heide“, sie endeten Anfang 2009.

„Bereits während der Baumaßnahmen wurden der Artenschutz und gewässerökologische Belange berücksichtigt,“ sagt Projektleiter Reiner Tatus von der Emschergenossenschaft. Matthias Hower, Landschaftsplaner bei der Emschergenossenschaft, ergänzt: „Die entstandenen Retentionsflächen dienen nicht nur dem schadlosen Hochwasserabfluss, sondern stellen naturnahe Feuchtwiesen und somit Lebensräume für spezialisierte Arten dar.“

Störche bisher nur auf der Durchreise

Mittlerweile sind im Retentionsraum „Am Schleitkamp“ unter anderem wieder brütende Kiebitze beobachtet worden. Insgesamt gibt es aktuell vier Kiebitz-Paare auf der Fläche. Darüber hinaus hat die Biologische Station Westliches Ruhrgebiet (BSWR) bereits Durchzügler wie Silberreiher, Störche oder die selten gewordene Bekassine, die auf der Fläche rasten, registriert. Versuche, Störchen eine neue Heimat zu bieten, blieben in den letzten zehn Jahren vergeblich.

Während das landwirtschaftliche Umfeld im Sommer trocken und warm ist, stellt die Feuchtsenke an der Boye einen willkommenen Kontrast mit ausreichendem Nahrungsangebot für Jungvögel dar. Ein Schlüsselpunkt für die Ansiedlung der Kiebitze war die Grünpflege der Fläche durch die Emschergenossenschaft. Das Herunterschneiden der Gehölze sichert die Lebensraumansprüche der Vögel, die offene Flächen in Wassernähe für ihre Nester bevorzugen

Wertvolles Rückzugsgebiet

Ein seltenes Bild: ein Kiebitzpärchen auf einem Feld in Kirchhellen.
Ein seltenes Bild: ein Kiebitzpärchen auf einem Feld in Kirchhellen. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Dies macht die Fläche zu einem äußerst wertvollen Rückzugsgebiet für die Kiebitze in Bottrop: Im gesamten Stadtgebiet konnte die Biologische Station im Jahre 2020 nur noch elf Reviere nachweisen, während es 2017 noch 25 waren. Das liegt auch daran, dass es die Stadt nicht geschafft hat, den Kiebitzbestand in der Dorfmitte trotz der Neubauten am Schultenkamp zu halten. Das hat Tilman Cristian, Leiter der Umweltplanung beim Fachbereich Grün, in der Bezirksvertretung Kirchhellen mitgeteilt.

Um so wichtiger, dass die seltenen Vögel am Schleitkamp ihre Ruhe und Abstand von den Menschen haben. „Es liegt an den Menschen, Störungen an den Brutplätzen zu vermeiden“, mahnt die Emschergenossenschaft. „Daher sollten Spazierende und ihre Vierbeiner die Retentionsflächen unter keinen Umständen betreten und die Zugangsverbote einhalten. Dies dient nicht nur dem eigenen Schutz, sondern auch dem der sensiblen Tierarten. So können alle einen Beitrag zum Artenschutz leisten.“