Bottrop-Kirchhellen. Rund 100 Jahre lang war die “Kleine Boye“ eine Kloake. Seit 2005 läuft die Renaturierung, seit 2009 erobert sich die Natur die Bachlandschaft zurück.

Parallel zum Mammutprojekt Abwasserkanal Emscher (AKE) baut die Emschergenossenschaft auch am Boyekanal. 5,5 von 8 Kilometern sind schon fertig, derzeit buddelt sie an der Stadtgrenze zu Essen. Wie die Zukunft der Boye aussehen kann, lässt sich zeigen am Kirchhellener Oberlauf, in dem seit Ende 2009 wieder das saubere Wasser fließt. Ein Ortstermin in Grafenwald fünf Jahre nach der Renaturierung.

„Hier ist fast ein kleiner Canyon entstanden“, sagt Walter Sauer, Gruppenleiter für die Gewässer des mittleren Emschergebietes. Auf Fotos aus der Bauzeit zeigt er, wie das Gelände östlich der Bottroper Straße in Höhe der Bauernstube in den Jahren 2008 und 2009 modelliert worden ist parallel zum Durchlass, für den die Emschergenossenschaft in Bottrop sogar zum Brückenbauer wurde.

„So sah es Ende 2009 aus an der Stelle, wo wir jetzt stehen“: In weiten Kurven fließt der wieder geborene Bach durch eine baumlose, nur mit Gras bewachsene Mulde. Das sieht fünf Jahre später ganz anders aus. Büsche, Bäumchen und Schilf begleiten jetzt die Boye so dicht, dass das Wasser im Sommer kaum noch zu sehen ist. Die Boye gehört sozusagen zur zweiten Generation der Renaturierungen. In der sten, zum Beispiel am Borbecker Mühlenbach zwischen Essen und Mülheim, hatten die Planer noch das Bedürfnis gehabt, der Natur mit einer „Initialbepflanzung“ auf die Sprünge zu helfen. War nicht wirklich nötig, stellte sich heraus: Die Natur könnte sich prächtig selbst helfen: An der Boye haben die Grüngestalter der Genossenschaft sich deshalb mit dem Pflanzen zurück gehalten. Allerdings: Gefährdete Arten wie die Schwarzpappel haben so dennoch guter Hoffnung in die Erde gesetzt.

Fünf Jahre später sieht es idyllisch aus an der Kleinen Boye. Und was sagen die Experten? 2011 und nochmals im Frühjahr haben sie den renaturierten Abwasserkanal unter die Lupe genommen. Das endgültige Ergebnis in Form einer kompletten Artenliste liegt noch nicht vor, doch der Zwischenbescheid ist positiv. „Der natürliche Prozess der Wiederbesiedlung an der Boye ist zu beobachten“, fasst Ilias Abawi als Sprecher der Emschergenossenschaft die ersten Ergebnisse zusammen. „Erst kommen die Pionierarten wie Käfer, Mücken und Eintagsfliegen, dann die anspruchsvollerren Arten. Und in der Tat: Selbst im Dezember fliegen dort noch die Insekten. Zudem haben Wissenschaftler am Oberlauf schon den Eisvogel und Störche gesichtet.

Und dazu kommt ja noch das über Jahre gehütete größte Geheimnis der Boye: „Im Oberlauf gibt es Abschnitte, die nie verbaut waren; also ein gewisses Wiederbesiedlungspotential ist vorhanden für die ökologisch verbesserte Boye und die Nebenläufe“, sagt Abawi. Dort hat auch die Emschergroppe überlebt, der für ausgestorben gehaltene Fisch, den Biologen der Emschergenossenschaft nachgezüchtet haben für den Wieder-Einsatz in eine renaturierte Emscher.