Bochum.

4. November 1944. 18.40 Uhr. Es ist ein Samstagabend im sechsten Kriegsjahr, als abermals in Bochum die Sirenen heulen. Luftalarm! Eines allerdings ist anders als bei den Angriffen, die die Stadt bis dahin erlebt hatte. Die Sirenen geben weder Vor-, noch Vollalarm – vielmehr signalisiert der durchdringende Heulton „akute Luftgefahr“. Das immer näher kommende Brummen der Bomber-Motoren ist schon zu hören. Benno Ringenberg war zehn Jahre alt. Er erinnert sich an den 4.11.1944 als sei es gestern gewesen.

In aller Eile sei er mit seiner Familie in den Luftschutz-Stollen gestürzt, der 100 Meter von ihrer Wohnung auf der Farnstraße lag. „Zwei Meldungen aus dem Drahtfunkgerät (Radio) im Keller ließen keinen Zweifel daran, dass Bochum das Angriffsziel war“, weiß er noch. Der Stollen war 21 Meter tief und verlief entlang des Südparks (heute Rechener Park). Auf langen Bänken standen die Namen der Bewohner dieses Straßenabschnitts, jeder hatte seinen festen Platz. „Wir saßen wie die Hühner auf der Stange“, erzählt Ringenberg. Dann brach auch schon die Hölle los.

35 Menschen in der Bunkerzelle

Auch Ruth Katzners Familie wurde über den Rundfunk alarmiert. „Mein Vater hatte ein Planquadrat vom Ruhrgebiet. Darauf verfolgte er bei jeder Luftmeldung mit den Meldungen aus dem Radio, wie weit die Flieger schon ihn ihrem Anflug waren“, schreibt sie. Am 4. November sagte ihr Vater zu Frau und Tochter: „Jetzt wird es aber Zeit, dass ihr in den Bunker kommt!“ . Als sie dort angekommen waren, fielen auch schon die ersten Bomben „Das konnte man körperlich spüren. Durch den Bunkergang ging ein scharfer Luftzug.“ 35 Menschen waren in den Bunkerzellen, die nur 4,5 mal 3,5 m goß waren, zusammengepfercht.

Gisela Priesberg vom Jahrgang ‘28 war auf dem heutigen Nordring in Höhe des Lokals „Wacholderhäuschen“ unterwegs, als die Sirenen losheulten. „Kurz danach war alles hell erleuchtet, denn die ersten Flugzeuge hatten die ,Christbäume’ gesetzt“, erinnert sie sich an die Leuchtzeichen am Himmel. Am Bahnhof Nord liefen Menschen links am Gebäude in einen Keller hinein, Gisela Priesberg auch. „Dann begann die Bombardierung, etwas, was man nicht beschreiben kann, man muss es selbst erlebt haben“, schreibt sie. „Ich erinnere mich, das ich immer an meine Eltern gedacht habe, und dass sie voller Sorge sein mussten.“

Nach einer Pause kam die zweite Angriffswelle. „Das Ganze kam uns wie eine Ewigkeit vor“, denkt Benno Ringenberg zurück. Endlich, nach einer endlos langen Stunde, trat eine gespenstische Ruhe ein. Auch 70 Jahre später erzählen die, die es erlebt haben, von dem Grauen dieses Tages: Von Feuer umgeben, eingenebelt von beißendem Qualm, kamen die Menschen aus dem Bunker. Ein Flammenmeer, und über Bochum war der Nachthimmel rot und hell erleuchtet. Auf der Brücke am Steinring konnte man, wie heute noch, hinüber zur Stadt blicken. Sie brannte, und die tief liegenden Wolken reflektierten den Feuerschein über den Ruinen.

Keine Orientierung möglich

Die Innenstadt gab es nicht mehr, weil die Häuser zerstört, die Straßen unpassierbar geworden waren. „Durch Bombentrichter und eingestürzte Häuserwände versuchte man sich zu orientieren“, erzählt Benno Ringenberg. Alles sei unheimlich und unwirklich gewesen. Und makaber. Überall lagen Tote.