Auf der Straße „Hohe Eiche“ spiegelt sich die Vielfältigkeit des Stadtteils. Sie ist geprägt von Sport und Freizeit, wie auch von Kultur und Kommunikation. Und am Ende auch etwas unglamourös

Die erste Begegnung ist keine unheimliche. Eher eine logische. Vielleicht auch ein Klischee? Von links nach rechts quert ein Eichhörnchen die Straße. Ein Eichhörnchen auf der Hohen Eiche. Wer denkt sich den so etwas aus? Das braune Kleine kommt aus dem Volkspark gerannt, springt über das glatte Kopfsteinpflaster der seltsamen Allee, die hier zwischen den ausufernden Bahnanlagen (4) und dem gerne genutzten Volkspark verläuft und verschwindet im Busch. Dann ist es wieder einsam, denn diese Straße, gesäumt von ziemlich hohen Bäumen, wird offenbar von Fußgängern selten frequentiert, wie die immer noch vom Sturmbruch bedeckten Gehwege zeigen.

Erst nach einer Linkskurve führt die Hohe Eiche in bewohntes Gebiet. Auf der linken Seite befindet sich der Sportplatz von BSV Langendreer 07 (3). Seit einigen Jahren ein moderner Kunstrasenplatz.

Seit 51 Jahre Clubmitglied

Schon mittags wird hier gewerkelt, geschraubt, verschönert. Unser Clubheim soll schöner werden. Hier trifft man Detlev Berg. Seit 1963 Vereinsmitglied, letztes Jahr wurde groß gefeiert. Jugendleiter seit ‘82, geboren in der Nähe, zur Schule gegangen quasi nebenan, sein Kirchturm ist vom Platz aus zu sehen. „Einmal Langendreer, immer Langendreer“.

Elf Jugendmannschaften hat der Verein, von den mikroskopisch über den Platz taumelnden Mini-Kickern bis zur A-Jugend, drei Seniorentruppen, leider nicht sehr hoch spielend. Ein bunter, ein junger Verein, wichtig für das soziale Leben im Stadtteil. „Wir haben sehr günstige Mitgliederbeiträge für Kinder und Jugendliche“, wirbt Berg für seine Schwarz-weiß-roten. Werbung könnte dem Kreisliga-A-Club auch gut tun, die Reihe der Unterstützerbanner an der Bande ist recht kurz. Aber das hier ist eben echter Fußball und keine Kommerzveranstaltung.

Wenige Meter weiter findet sich das „Figurentheaterkolleg Hohe Eiche“ (2) in einer ehemaligen Schule. Hier begann etwa die Karriere von Schauspieler Martin Wuttke. Der Tatort-Kommissar, geboren 1962 in Gelsenkirchen, fing hier eine Schauspielkarriere an, die ihn zunächst zur damals noch Westfälischen Schauspielschule am Steinring führte, dann in die weite Theaterwelt nach Berlin und ans Burgtheater, dann gar in die Filmwelt, zu Tarantino und Tom Tykwer. Er ist nicht der einzige, der hier in Langendreer erste Schritte in eine Künstlerexistenz wagte.

Die weitere Straße ist geprägt von typischen Reihenhäusern, da und dort mit einer Flagge aus dem Fenster, das türkische Café hat schon vor längerer Zeit zu gemacht, manche Häuser stechen durch aufwändige Stuckfassaden hervor. Gründerzeitbauten, deren Frequenz höher wird, je näher man dem „Stern“ kommt, der Stelle, an der die Hohe Eiche auf die Alte Bahnhofsstraße trifft. Der Platz beherbergt einen Markt, bei guten Wetter sitzen auch Menschen vor den Cafés und schauen dem Leben zu. Der Markt am Donnerstag ist übersichtlich, doch ordentlich frequentiert. Auf die auf dem Platz gestellte Kunst, Plastiken von Horst-Dieter Gölzenleuchter 1989 und Paul Mangen 1991, achtet kaum jemand. Irgendwer hat ein flattriges Band an Gölzenleuchters „Leben und Arbeit“ gehängt, das schriftlich verlangt, man solle darauf nicht klettern, was angesichts der sperrigen Arbeit – ein rot lackierter Zahnradsatz, die scharfe Silhouette eines Arbeiters in blau und schwarz und zwei Eisenbahnschienen – nahezu absurd anmutet.

Unglamouröses Ende

Vom Stern, gerahmt von einigen Anfang des 20. Jahrhunderts entstandenen Häusern,
führt die Straße Hohe Eiche dann noch einige sehr unglamouröse Meter weiter. Sie endet auf der Straße „In der Schuttenbeck“, mit einem recht unaufgeräumten, wenig einladenden Spielplatz am Ende. Graffiti an den Wänden, eine verwahrloste Tischtennisplatte und eine traurige Schaukel sind das letzte Bild, das sich von der Hohen Eiche bietet. Falls hier Eichhörnchen wohnen – sie zeigen sich nicht.

Historie: Die Straße - Straßenname erinnert ans ländliche Langendreer

Der Name „Hohe Eiche“ verweist auf eine Zeit, in der in Langendreer gewiss noch große Bäume wuchsen, die Felder weit waren und das Land bäuerlich geprägt. Das ist lange her. Spätestens mit der ab 1850 einsetzenden Industrialisierung hat Langendreer seine „Unschuld“ verloren – zumal die Gegend am „Alten Bahnhof“, zu der die Straße Hohe Eiche zählt.

Ihren Namen erhielt sie 1929, also nach der Eingemeindung Langendreers nach Bochum. 1860 war sie als Adolfstraße als Verbindung vom Bahndamm zur Moltkestraße (Alte Bahnhofstraße) projektiert worden. So sollte das damalige Neubaugebiet rund um die beiden Kirchen erschlossen werden. Im Urkataster von 1823 wird das Flurstück als „Hohe Eiche“ erwähnt. Die Entwicklung dieses Teils von Langendreer ist eng mit dem Aufkommen der Zechen und damit mit dem Aufkommen der Eisenbahn verbunden. Die Bergisch-Märkische Eisenbahn-Gesellschaft (BME) eröffnete 1860 den ersten Bahnhof in Langendreer, den heutigen Haltepunkt Langendreer-West. Maßgeblich waren die Belange des Güterverkehrs, insbesondere die Nähe zu Zechen wie Mansfeld, Vollmond oder Neu-Iserlohn, während dem Personenverkehr nur untergeordnete Bedeutung zukam.

Als Knotenpunkt im Netz der BME war der Bahnhof allerdings schon mit einem größeren Empfangsgebäude und umfangreichen Güterschuppen ausgestattet. (JBS)