Bochum. In der kurzen Passage wohnt niemand, dafür gibt es einige exquisite inhabergeführte Ladenlokale. Diese litten und leiden unter den vielen Baumaßnahmen. Zwei Kunstwerke im öffentlichen Raum fassen die Straße ein
Als die berühmte Eislauf-Legende Marika Kilius einst Bochum besuchte, kaufte sie einen Hut in der Schützenbahn. Das hatte seinen Grund zwar nicht in einem besonderen überregionalen Ruf der nur einhundert Meter langen Innenstadt-Passage, sondern in der Person des Hut-Geschäftsmanns Kurt Müller, jedoch zeichnet sich die Schützenbahn auch heute noch durch eine gute Hand voll inhabergeführter Einzelhandelsadressen aus.
Müller, heute 93 Jahre alt, war so etwas wie das Original der Straße. Der Ex-Eistänzer, mit deutschen Meisterehren gekrönt, betrieb hier lange ein Hutfachgeschäft, das von namhaften Stars auch neben der Kilius, die er neckisch „Mariechen“ nannte, besucht wurde.
Intensive Arbeiten
Die Schützenbahn verbindet leicht ansteigend den Boulevard mit dem Dr.-Ruer-Platz. Bewegt man sich bergan, so finden sich links die individuellen Fachgeschäfte – für Tischmode, Feinkost, Stempel und Co, Mode und Schuhe – die rechte Seite wird seit einer Weile von einer Baustelle beherrscht. Hier hat Andor Baltz im Sommer 2010 „endlich“ die beiden Häuser erwerben können, die zur Erweiterung des Bochumer Modehauses benötigt wurden.
Seither wird hier intensiv gearbeitet, sechs Etagen entstehen. Für die Geschäftsleute eine Belastung, ist doch der Umbau mit viel Lärm und Dreck verbunden, vom Lieferverkehr zu Schweigen. Ein anderer nimmt es mit Humor: „Da gibt es auf der anderen Seite keine Schaufenster zu betrachten, die Leute nehmen nur unsere Auslagen wahr.“ Highlight des spektakulären Neubau, der höhenmäßig mit dem gegenüberliegenden Sparkassen-Komplex mindestens gleichzieht, wird eine Aufzugsanlage mit Glasaufzügen sein, die außen am Gebäude entlang fahren und interessante Ausblicke ermöglichen sollen. Auch ein Café auf dem Dach des Baltz-Hauses könnte eventuell eine Vogelperspektive auf die Schützenbahn ermöglichen.
Im Herbst soll alles vorbei sein
Vor dem Baltz-Gebäude befindet sich am Eingang der Schützenbahn ein beeindruckendes Kunstwerk: „Die Entfaltung der Stadt“ (1) wurde im Oktober 1999 als Auftragswerk der Stiftung der Sparkasse Bochum zur Förderung von Kultur und Wissenschaft aufgestellt. Die recht monumentale und Bronzeplastik löste bei der Enthüllung auf dem Platz vor der damals neu gestalteten Sparkasse aber durchaus heftige Diskussionen aus. Sie zeigt Szenen aus der Stadtgeschichte, wobei der Künstler Karl-Henning Seemann den Szenen des Emporstrebens der Stadt auf der Vorderseite, auf deren Rückseite den Absturz durch Krieg und Zerstörung gegenüber stellt.
Daten und Fakten
Personen. Hier sind keine Personen gemeldet. Es „wohnt“ also niemand an der Schützenbahn.
Gewerbe. Insgesamt neun verschiedene Gewerbe sind in der Schützenbahn angemeldet, darunter eine Bank, ein Einzelhandel mit Schuhen sowie ein Handel mit Stempeln und artverwandten Waren .
Statistik. Die Schützenbahn ist etwa ein hundert Meter lang und verfügt über gerade einmal elf Hausnummern.
Bezirk. Die Schützenbahn befindet sich im Stadtteil Gleisdreieck und liegt im Stadtbezirk Bochum-Mitte.
ÖPNV. Die Schützenbahn befindet sich genau zwischen den Haltestellen Bochum Rathaus und Bochum Hauptbahnhof. Hier verkehren unterirdisch die Straßenbahnlinien 302 und 310, einige Buslinien und die U-Bahnlinie U35. Über den fußläufig nahen Hauptbahnhof sind natürlich auch Züge des Fernverkehrs zu erreichen, genau wie S-Bahnen und viele Buslinien.
Und auch am anderen Ende der Schützenbahn, dort wo sich das Sparkassen-Gebäude zuspitzt, was ihm den Beinamen „Bügeleisen“ eingebracht hat, befindet sich Kunst im öffentlichen Raum: Jan Bormann (geboren 1939 in Dortmund) hat hier den „Kugelbrunnen“ (3) geschaffen. Die beiden über zwei Meter im Durchmesser umfassenden Halbkugeln hat der Künstler aus zwei Granitblöcken gehauen. Von einem ursprünglichen Gewicht von 14 Tonnen, blieben sechs übrig.
Im Herbst, so war es ursprünglich einmal geplant, wird der Umbau abgeschlossen sein. Erst dann wird man die „Dauerbaustelle“ Schützenbahn einmal in voller Pracht sehen. Vielleicht kommen dann auch wieder die Stars zum Einkaufen.
Eine der ältesten Straßen
Die Schützenbahn gehört zu den ältesten Straßen Bochums. Schon im 14. Jahrhundert existierte ein Straßenring, der den Ort vom „Reichshof“ (bei der Propsteikirche) im Nordosten über den Weilenbrink, die Schützenbahn, die (alte) Grabenstraße, den Spitzberg und wieder zum Reichshof umschloss. Acht Hektar soll diese Bochumer Urzelle groß gewesen sein.
Die Bezeichnung „Schützenbahn“ erinnert an die Bürgerwehr mit ihren Schießübungen für Kriegszeiten oder Überfälle von außen auf die Stadt. Sie erinnert aber auch an die Schützenfeste, die auch in Bochum seit Alters her gefeiert werden. Die „strategische Lage“ der Schützenbahn, die in der Nähe der städtischen Befestigungen lag und damit ihre Bedeutung für die Sicherheit Bochums hatte, lässt sich an einer Besonderheit ablesen: Seit dem 16. Jahrhundert musste der Bochumer Nachtwächter auch „nach der Schüttebahn hinan“ blasen; der Wachhabende ging nächtens seine Runde und musste stündlich ein Signal der Wachsamkeit geben.
Auch Bochums Historiker Carl Arnold Kortum erwähnte die Schützenbahn; 1790 notierte er, die 120 Schritte lange Straße habe „meist schlechte Häuser“.