Bochum. In der Sackgasse in Stiepel treffen Freizeitsportler auf Tänzerinnen und Billardspieler auf Fußballteams. Eingang zum Weitmarer Holz ist das Sahnehäubchen der Straße. Erinnerung an Heinz Eikelbeck: Der Alt-Oberbürgermeister verbrachte seine Kindheit in Stiepel und setzte sich für die Sportanlage ein
Drei Kurven, 18 Hausnummern und im letzten Drittel geht er steil bergauf – ein Spaziergang durch den Erbstollen ist schnell getan. Wer nicht hindurcheilt, dessen Blicke fängt die Straße ein.
Schon nach der ersten Kurve erscheint ein zwei- bis dreistöckiges Gebäude. Seit 2012 umschmeichelt das alte Maschinenhaus der Zeche Carl-Friedrich-Erbstollen (1) ein terrakottafarbener Anstrich und betont den historischen Schwung seiner Architektur. Sein Baujahr ist sogar dem Besitzer unbekannt. Das Gebäude befindet sich in Privatbesitz und bietet 14 Mietwohnungen von je etwa 80 Quadratmeter Fläche. Auch das „Studio für Tanz“ von Julia Bouriakova , einer in St. Petersburg geborenen Absolventin der Waganowa-Balettakademie, hat hier eine stilvolle Bleibe gefunden.
Den süßlichen Duft der Blüten schnuppern
„Vorher sah es ganz grün aus, alle haben es nur ,das grüne Haus’ genannt“, weiß Irene Lauterbach, die seit 1978 am Erbstollen lebt. Bei Nachfrage wird das Haus auch von vielen Anwohnern „Salzlager“ genannt. Es heißt, im Ersten Weltkrieg sei dort das als Zahlungsmittel beliebte Salz gelagert worden.
Auf der rechten Straßenseite, schräg gegenüber, blühen Rosen- und Rhododendronbüsche vor vanillegelben Reihenhäusern. Wer die Nase in die Luft hält, schnuppert den süßlichen Duft der Blüten. „Neulich hat mir jemand zugerufen: ,Na, gehen Sie jetzt wieder in Ihre Scheibchen-Villa? Das fand ich niedlich“, sagt Bewohnerin Lauterbach. An ihrem Eigenheim hängt ihr Herz: „Es ist mein Leben“, sagt sie. Ihr jüngster Sohn habe sich damals einen Bobtail-Hund gewünscht. Darum zog die Familie in ein Haus mit Garten. Auch heute noch ist die Gegend für Irene Lauterbach beste Wohnlage. „Wir sind hier ja schon mit einem Fuß in Stiepel“, sagt sie. Dass der Erbstollen zu Stiepel gehört, glaube ihr oft keiner, sagt sie. Recht hat sie trotzdem, auch wenn die Straße nur einen Steinwurf von der Einkaufsmeile in Weitmar-Mark entfernt ist.
Wohnhaus von Alt-Oberbürgermeister Heinz Eikelbeck
Hinter den Pollern steht auf der rechten Seite ein weißes Haus (4), das nicht immer dort war. An dieser Stelle stand etwa bis Mitte der 70er Jahre das Wohnhaus, in dem Alt-Oberbürgermeister Heinz Eikelbeck (1926-2011) aufgewachsen ist. Seine Eltern Elly und August Eikelbeck lebten ab Ende der 1920er Jahre mit ihren fünf Söhnen im Erdgeschoss. Auch Heide Schmidt (65), Tochter von Heinz Eikelbeck, erinnert sich gerne an die Zeit bei den Großeltern im Erbstollen „Es war ein schönes Backsteinhaus“, berichtet sie.
Großvater August habe oft an der Straße auf einer Fußbank gesessen und auf seine Tauben gewartet, schildert sie. Sein Sohn, Heinz Eikelbeck, setzte sich später dafür ein, dass der heutige SV Blau-Weiß Weitmar am Erbstollen eine neue Spielstätte erhielt. „Deswegen kandidierte er das erste Mal für den Rat“, weiß seine Tochter. Der erste Ratssitz im Jahr 1964 war der Anfang einer langen Karriere. Heinz Eikelbeck, der Junge aus dem Erbstollen, war von 1975 bis 1994 Oberbürgermeister der Stadt.
Kohleabbau geht bis ins 18. Jahrhundert zurück
Der Straßenname bezieht sich einerseits auf den bergmännischen Begriff „Erbstollen“, andererseits auf die Zeche Carl Friedrich Erbstollen, einst an der heutigen Heinrich-König-Straße gelegen. Die so genannten „Erbstollen“ begannen im Ruhrtal und wurden leicht ansteigend in den Berg getrieben, um so die Grubenfelder zu entwässern und zu bewettern.
Die Kohleförderung in Weitmar und Stiepel geht bis 1773 zurück, 1825 wurden drei Zechen zur Schachtanlage Carl Friedrich Erbstollen konsolidiert. Um 1850 erwarb die Henrichshütte das Bergwerk und baute es aus. 1882/83 wurde eine Kokerei errichtet. 1884 teufte die Grube an der Landstraße von Stiepel nach Bochum einen Wetterschacht ab, Carl Friedrich Erbstollen 2.
Am 28. April 1917 riss während der Seilfahrt zu Schichtbeginn das Seil eines Förderkorbs im Hauptschacht, 41 Kumpel kamen um, keiner überlebte den Sturz in 400 m Tiefe. 1924 stellte der Pütt die Förderung ein und diente fortan als Wetterschacht der benachbarten Zeche Prinz Regent, die auch die Kohlenvorräte abbaute. Bereits 1930 wurde die Schachtanlage aufgegeben, im gleichen Jahr erfolgte der Abbruch der Tagesanlagen.