Bochum. Es kommt nicht von Ungefähr, dass ein ausgewiesener Experte in der Entwicklung von Flächen im Ruhrgebiet die Co-Geschäftsführung der Gesellschaft Bochum Perspektive 2022 übernommen hat. Prof. Dr. Rolf Heyer (60) kommt von NRW.Urban und soll die Entwicklung der Opel-Flächen in Bochum mitgestalten.
Am 1. August hat Prof. Dr. Rolf Heyer seine neuen Aufgaben als Geschäftsführer der Entwicklungs Gesellschaft Ruhr (EGR) und der Bochum Perspektive 2022 aufgenommen. Er war zuvor Geschäftsführer der Entwicklungsgesellschaft NRW.Urban. Über die Herausforderungen in den nächsten Monaten und Jahren sprach WAZ-Redakteur Andreas Rorowski mit dem 60-Jährigen.
Wie haben Sie sich eingelebt bei der EGR?
Prof. Dr. Rolf Heyer: „Ich bin gut aufgenommen worden. Die Mitarbeiter sind sehr nett zu mir und natürlich auch erwartungsvoll.“
Sie haben zwei Kernaufgabenbereiche: die Leitung der EGR und die der Gesellschaft Bochum Perspektive 2022. Die zweite Aufgabe scheint die größere Herausforderung zu sein, sie steht stärker im Fokus und muss möglichst schnell voran kommen.
Heyer: „Für mich sind das nicht zwei unterschiedliche Aufgaben von der Dimension her. Ich glaube, dass die EGR in ihrer Breite gut aufgestellt ist und viele Möglichkeiten hat. Es geht darum, diese Möglichkeiten noch stärker zu nutzen als dies in der Vergangenheit der Fall war.“
Zum Beispiel?
Heyer: „Es gibt wenige städtische Entwicklungsgesellschaften, die das tun, was die EGR in der Vergangenheit getan hat. Sie kommt aus der Parkraumbewirtschaftung. Es geht damit aber auch um Stadtgestaltung, denn auf den Parkhäusern stehen zum Teil Immobilien; die dazu geführt haben, dass die Plätze genutzt werden – wie etwa die Cafés auf dem Husemannplatz. Das zeigt, wir haben einen guten Ansatz, mit dem Thema ‚Parken’ haben wir auch mit den Themen Stadtentwicklung und Einzelhandel zu tun. Das ist ein Thema, das man weiter entwickeln muss. Und dann sind wir auch Vermieter für Wirtschaftsunternehmen; nämlich in unseren Gründerzentren und Technologiezentren. Diese Mieter müssen natürlich anders betreut werden als ein Mieter, der mit seinem Auto in ein Parkhaus fährt. Außerdem machen wir Flächenentwicklung. Diese Basics sind da und breiter aufgestellt als in vielen anderen Städten. Das alles zusammen ist ein genauso großes Pfund, aber auch eine ebenso große Herausforderung wie diese eine große Flächenentwicklung bei Opel über die Bochum Perspektive. Da muss man sich noch mal genau anschauen, was passiert mit den Opel-Flächen. Da sind wir auch auf einem guten Weg: Die Gesellschaft ist gegründet, sie ist funktionsfähig und hat am 15. August den Förderantrag rechtzeitig abgegeben.“
Förderantrag rechtzeitig eingereicht
Welchen Förderantrag?
Heyer: „Wir haben bei der Bezirksregierung in Arnsberg den Antrag für den ersten Bauabschnitt der Opel-Flächen eingereicht. Mehr sage ich dazu noch nicht, weil es dazu noch Abstimmungsgespräche gibt."
Vorausgesetzt, Sie erhalten einen positiven Förderbescheid. Wann könnten Sie denn auf
der Opel-Fläche beginnen?
Heyer: „Es ist noch nicht ganz klar, wann wir den Bescheid erhalten. Das Land und die Bezirksregierung haben zugesichert, das schnell zu prüfen. Ich gehe davon aus, dass das in den nächsten Monaten passiert, da alles Gespräche zielführend laufen.“
Werk I will Opel komplett in die Perspektive einbringen, DHL hat mit Opel bereits eine Absichtserklärung über eine Ansiedlung unterschrieben. Folgt bald auch ein entsprechender Vertrag; die Rede war von September?
Heyer: „Im September werden Verhandlungen geführt und Vertragsentwürfe ausgetauscht, so habe ich das verstanden. Es kann auch noch keinen Vertrag geben. Wer soll wem ein Grundstück verkaufen? Bochum Perspektive übernimmt das Grundstück von Opel erst, wenn es von Opel besenrein frei geräumt hat. Das ist vereinbart und zwar für den nächsten Sommer. Wenn man das anders machen würde, dann müsste man jetzt einen Dreiervertrag machen, der noch sehr viele Unwägbarkeiten hat.“
Einen Förderantrag konnten Sie stellen, ohne Eigentümer zu sein?
Heyer: „Ja.“
DHL gibt’s schon. Das hat ein bisschen für Irritationen gesorgt vor dem Hintergrund der Ergebnisse des Werkstattverfahrens, in dem die Ansiedlung von wissensbasierter Industrie im Zentrum steht. Dem entspricht DHL nicht gerade. Gibt es demnächst unbeschadet der Werkstattüberlegungen wieder eine Vereinbarung mit einem Unternehmen, das auf die Opel-Fläche möchte, oder wird jede weitere Ansiedlung allein auf Basis des Konzepts erfolgen?
Heyer: „Die Irritationen sind entstanden aus der Beschlusslage bei der Aufstellung des Bebauungsplans durch den Rat der Stadt Bochum, Logistik auszuschließen. Das ist im Werkstattprozess konkretisiert und mit der Politik stärker diskutiert worden. Gesagt wurde dann, dass wir auf der Fläche nichts haben wollen was einfache Spedition ist; es geht um wertschöpfende Logistik. Was DHL dort machen will, ist die hohe Kunst dessen, was Logistik überhaupt leisten kann; nämlich eine Verteilung in einem großen Maßstab als Zentrale, dann eine Verteilung auf Satelliten, von denen dann die ganzen Kunden bei QVC, Zalando, Amazon dann entsprechend beliefert werden. Das heißt wir haben hier nicht nur schon eine große Investition, dahinter verbirgt sich auch Wissen und Know-how. Darüber muss man jetzt mal nachdenken, ob es nicht Ansätze in der Region etwa des Fraunhofer Instituts in Dortmund gibt, die sich mit dem Thema Warendistribution, Logistik und ähnlichen Systemen beschäftigt, aus dem genau dieses fließen kann. Das Schöne an DHL ist: erstens, wir haben Arbeitsplätze. Und dann haben wir auch eine Ansiedlung, die den Standort bekannt macht.“
Vier bis fünf Bauabschnitte
Die Ankerfunktion.
Heyer: „Ja, aber nicht in der Frage der inhaltlichen Ankerfunktion. Aber das ist eine große Ansiedlung, an der man zeigen kann, dass man vieles ermöglichen kann. es gibt noch andere Beine, Aber es noch andere Beine, auf denen die Flächenentwicklung steht: Das ist die wissensbasierte Produktion, das Thema Re-Industrialisierung der Region und andere Themen, auch integriert in Stadtentwicklungskonzepte. Das sind ja die Essentials der Machbarkeitsstudie, auf die sich die Beteiligten verständigt haben. Das muss weiter entwickelt werden im Sinne einer Planungskonzeption für den Standort, damit man Planungsrecht bekommt. Wir können nicht morgen 30 Grundstück bereit stellen. Das wird ein Prozess sein, der sich über mehrere Jahre hinzieht. Wir planen im Moment mit vier bis fünf Bauabschnitten.“
Und Sie können wann die ersten Grundstücke bereit stellen?
Heyer: „Die ersten Grundstücke werden wir 2016/27 zur Verfügung stellen.“
Auf einer dann klar nach Themen strukturierten Fläche?
Heyer: „Es gibt erste Überlegungen wie sich das entwickeln kann. Aber ich glaube nicht, dass wir sagen können, dass ist der Claim für das und das ist der Claim für das. Man muss zwar Schwerpunkte festlegen, aber trotzdem flexibel bleiben. Niemand kann wissen wie in fünf bis sieben Jahren die Nachfrage ist. Auf jeden Fall brauchen wir eine Marke. Wie die aussehen wird, wird sich in einem Prozess herauskristallisieren. Das wird in den nächsten Monaten geschehen.“
Kommen wir noch mal zu Werk I. Die Machbarkeitsstudie sieht vor, alle Gebäude abzureißen, auch das markante Verwaltungsgebäude D 1. Nun gibt es Stimmen, die sagen, etwas muss doch bleiben von Opel; zum Beispiel dieses Gebäude. Sozusagen als ein Überbleibsel der Industriegeschichte
Heyer: „Das Gebäude hat keine architektonisch-historische Bedeutung. Baukulturell ist das ein Standard-Industriebau, der sich nur durch die Glasrotunde im Eingangsbereich von anderen Standardbauten unterscheidet. Das Gebäude ist durch die Medien zu einem Zeitzeugen geworden. In den Köpfen der Leute ist es dieses Gebäude mit dem großen Opel-Schriftzug. Und daraus ist eine historische Bedeutung abzuleiten. Ob sich aber dieses Gebäude umnutzen oder folgenutzen lässt, das muss man rein wirtschaftlich diskutieren.“
Nutzung und Folgekosten
Wenn Sie eine neue Marke kreieren wollen, wäre das Gebäude also wohl eher ein Hindernis. Trotzdem: Muss nicht irgend etwas Sichtbares bleiben von Opel?
Heyer: „Bisher ist der Abbruch fast aller Gebäude geplant. In der Machbarkeitsstudie ist gesagt worden, man muss sich das zumindest für die Halle D3, das ist die größte Halle, noch einmal anschauen. Es gibt ein ganz kleines Gebäude, die Gasübernahmestation, das nahezu im Originalzustand ist und das auch keinen stört, was jetzt wahrscheinlich unter Denkmalschutz gestellt wird. Es geht mir nicht darum, etwas zu erhalten des Erhaltens wegen. Es ist aus Sicht der Denkmalpfleger in einem erhaltenswerten Zustand, weil es den Urzustand des Baus 1962 nahezu unverändert widerspiegelt. Ich bin aber keiner, der sagt, das muss stehen bleiben, damit überhaupt etwas stehen bleibt. Man muss leidenschaftslos beurteilen, welchen historischen Wert, welchen baukulturellen Wert und welchen zeithistorischen Wert haben Objekte, und dann letztlich auch welche Folgekosten entstehen daraus.“
Wenn Sie darüber nachdenken, ob die größte Halle erhalten bleiben soll, immer vor dem Hintergrund der Frage, wie sie künftig genutzt werden könnte, würde das bedeuten, dies tut man immer mit einem potenziellen Investor?
Heyer: „Da sind viele Fragen zu klären; z.B. ob das in das Folgekonzept passt oder hole ich mir damit andere Dinge mit rein. Die Halle hat 76.000 qm unter einem Dach. Da werde ich nie wieder einen finden, der mir die Halle komplett abnimmt, d.h. ich muss sie unterteilen. Ich halte mich da immer an Karl Ganser, der gesagt hat, abbrechen kann man immer noch.“