Bochum.

Zugegeben, zwischen Coca Cola und Reich Kupplungen liegen Welten: geografisch, finanziell und auch die Branche sind nicht vergleichbar. Und doch haben der weltweit bekannteste Brausehersteller und der Mittelständler aus Bochum eines gemeinsam: Ihr Erfolg beruht auf einem großen Geheimnis. So wie die Coca-Cola-Rezeptur seit mehr als 100 Jahren gehütet, sind für Reich die Mischungen der Gummielemente für die elastischen Kupplungen ein Buch mit sieben Siegeln. Sie schlummern in einem Safe.

„Dieses Gummi ist dasjenige, was Reich ausmacht“, erklärt Herwarth Reich, Diplom-Ingenieur und Miteigner des Familienunternehmens. Die Metallteile der Kupplungen, die ebenfalls selbst produziert werden, „sind Standard, das können auch andere“, so der Senior-Chef.

Noch heute basiert der Erfolg des Unternehmens auf Gummimischungen, die Reichs Vater nach dem Krieg zusammen mit den Chemischen Werken Hüls entwickelte. „Er hatte die Idee für die elastische Kupplung“, sagt Herwarth Reich. Zahlreiche Patente zeugen von dieser Pionierarbeit.

Schiffe, Heizkraftwerke, Prüfstände

Zwar kam der Firmengründer aus der Automobilbranche, er arbeitete in Stuttgart für Mercedes. Mit dem Fahrzeugbau haben Reich-Kupplungen aber nur am Rande zu tun. Für den Nebenantrieb der Funktionsbereiche etwa von Betonmischern oder Müllfahrzeugen werden sie verwendet. „In der Hochzeit des LKW-Baus haben wir jährlich 15 000 Kupplungen an Mercedes geliefert“, so Reich. Vorwiegend genutzt werden die Produkte aus Grumme aber in der industriellen Fertigung. Ob Schiffe, Blockheizkraftwerke, Baumaschinen oder Prüfstände – sie kommen überall zum Einsatz, wo die Kraft von einem Motor, meistens diesel- oder gasbetrieben, auf ein anderes Aggregat übertragen werden muss.

Der Clou dabei: Da bei der Drehmomentübertragung Verlagerungen ausgeglichen und Schwingungen gedämpft werden müssen, sorgen Gummielemente in den Kupplungen für jene Flexibilität und Dynamik, ohne die diese Anforderungen nicht zu bewältigen wären. Güte und Mischung des Gummis, das nach Reich-Rezepturen von einem Zulieferer aus Natur- oder Synthetikstoffen hergestellt wird, spielen dabei eine große Rolle.

Zumal „die Anforderungen weiter steigen“, so Junior-Chef Christian Reich. Mussten früher 5000 Betriebsstunden garantiert werden, verlange die Industrie heute 20 000 reibungslose Betriebsstunden und mehr, um Wartungskosten und Ausfallzeiten niedrig zu halten. Hitze ist dabei ein großes Problem. Bis zu 80 Grad Celsius kann Naturgummi „vertragen“, bis zu 130 Grad das synthetische Silikon, das weniger flexibel ist. Mischungen aus diesen und anderen Gummivarianten machen es möglich, die spezifischen Anforderungen zu erfüllen.

Nicht zuletzt deshalb spielen Forschung und Entwicklung eine große Rolle, um der Konkurrenz möglichst immer einen Schritt voraus zu sein. Allein 30 der 150 Bochumer Beschäftigten arbeiten in diesem Bereich, demnächst werden zwei neue, zwei Millionen Euro teure Prüfstände geliefert, die vor allem in der Entwicklung eingesetzt werden.

Herstellung von Kleinserien

Zumal Reich keine Massenprodukte, sondern Kleinserien herstellt, die speziell auf den Abnehmer zugeschnitten sind. „D2C“ heißt das im Haus, „Designed to Customer“, also entwickelt für den Kunden. Es sei diese ausgeprägte Kundenorientierung und Flexibilität, so Herwarth Reich, die die Stärke des Mittelstands ausmache.

Binnen 24 Stunden können Teile in alle Welt verschickt werden, längst ist das Familienunternehmen weltumspannend vertreten – entweder mit eigenen Vertretungen wie etwa in den USA oder über Vertragspartner. Vertriebsexperten aus 22 Ländern waren im Mai beim Treffen an der Vierhausstraße, zu dem Reich alle zwei Jahre lädt.

Wenn der Vater mit dem Sohne . . .

Wie der Vater so der Sohn. So sieht es aus bei den Reichs. Beide, Herwarth Reich und Christian Reich, haben Maschinenbau in Aachen studiert, beide haben einen Ingenieur-Diplom. Und beide leiten die Geschicke des Unternehmens – der Senior noch mehr als der Junior. Über kurz oder lang werden sich die Gewichte verschieben. „Ich kann gut auf den Alltag in der Firma verzichten“, sagt Herwarth Reich (65), der am Familienunternehmen hängt, aber nicht an seinem Sessel klebt. Seit einem Jahr bereitet er seinen Sohn darauf vor, die Verantwortung zu übernehmen. Eine der Maximen: „Die Mitarbeiter sind unser größtes Juwel. Das versuche ich der dritten Generation zu vermitteln.“

Selbstverständlich war es nicht, dass Christian Reich in die Fußstapfen seines Vaters trat. Die ersten beruflichen Lorbeeren hat er sich woanders verdient. Drei Jahre lang arbeitete er bei BMW in München, ehe er zurück nach Bochum kam und in den Familienbetrieb eintrat.

Reizvolle Aufgabe

„Er hat nach seinem Abitur meine Frau und mich damit überrascht, dass er sich in Aachen eingeschrieben hat“, sagt der Senior-Chef. Gedrängt dazu habe er sich nicht gefühlt, so der Junior-Chef. „Ich bin von klein auf da so hineingewachsen.“ Und warum ist er aus München zurückgekehrt? „Das Unternehmen weiterzuentwickeln, eigene Ideen und Vorstellungen einzubringen, ist eine große Chance und reizvolle Aufgabe.“ Das hat den Ausschlag gegeben.

Die Geschäftsführung hat Reich junior bereits übernommen. Er kümmert sich unter anderem um ein Auslandsprojekt. Die Produktion in der neuen Anlage im polnischen Bytom soll bis 2020 zum Drei-Schicht-Betrieb ausgebaut werden. Rund um die Uhr wird im Metallbereich bereits Bochum gearbeitet.

Einen anderen Start hatte Herwarth Reich einst, als er 1977 nach dem Tod seines Vaters die Geschäftsführung übernahm. „Das war ein Sprung ins kalte Wasser“, erinnert er sich. Der Ingenieur fand den richtigen Weg. Wegen des Niedergangs im deutschen Bergbau baute er die Firma vom Bergbauzulieferer zum Lieferanten für indus-trielle Kupplungen. Erfolgreicher Strukturwandel heißt das in Neudeutsch.

MEIN JOB: Zerspanungsmechaniker

„Ich nehme ein hässliches Teil und heraus kommt ein schönes, passgenaues.“ Andy Jagodzinski (28) steht vor seinem Arbeitsgerät: einer CNC-Maschine. Der erste Eindruck, er müsste nur auf ein paar Knöpfe drücken und den Rest macht der Computer, täuscht gehörig. Es gehört viel Wissen und Erfahrung dazu, um aus einem Rohling aus Stahl, Guss oder Eisen etwa eine millimetergenaue Scheibe in unterschiedlicher Größe und Güte herzustellen, aus der später zusammen mit dem Gummielement eine elastische Kupplung wird.

Zerspanungsmechaniker hat Jagodzinski gelernt, natürlich bei Reich. Mittlerweile ist er seit elf Jahren im Betrieb und setzt eine Familientradition fort. „Mein Vater hat hier schon gearbeitet und ist vor vier Jahren zufrieden in den Ruhestand gegangen.“ Er habe ihm ein Praktikum im Betrieb vermittelt. Und da ihm das mehr zugesagt hat als zwei andere Praktika, habe er sich für die Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker entschieden. Wie das Unternehmen tickt? Nun, „es gibt viel Arbeit und eine gutes Betriebsklima. Im Großen und Ganzen ist das ein gutes Gesamtpaket“, sagt Jagodzinski und widmet sich wieder seiner programmierbaren Drehmaschine.