Bochum. Im Prozess um den fünfjährigen Mussa, der durch den Wurf eines 40 Kilo schweren Sessels schwerstens verletzt worden ist, hat das Landgericht zwei Männer zu Bewährungsstrafen verurteilt. Außerdem verhängten die Richter ein Schmerzensgeld in Höhe von 130.000 Euro.

Ein einziger Moment der Fahrlässigkeit hat das Leben des fünfjährigen Mussa schlagartig und nachhaltig verändert: Am 28. Mai 2013 hatte ein Hilfsarbeiter (24) beim Entrümpeln einer Dachgeschosswohnung in Dahlhausen einen Sessel aus dem Fenster in 11,5 Metern Höhe geworfen und versehentlich das Kind getroffen. Es war gerade in einer Hofeinfahrt spielend einem Ball nachgerannt, als das 40 Kilo schwere Möbel mit voller Wucht auf seinen Kopf fiel. Die Abwurfstelle, an der sich bereits ein großer Sperrmüllhaufen angehäuft hatte, war damals nicht ausreichend gesichert.

Das Landgericht verurteilte am Dienstag zwei Männer wegen fahrlässiger Körperverletzung: Der 24-Jährige bekam ein Jahr Haft; sein damaliger Chef (52), der Wohnungsinhaber, erhielt 15 Monate Haft. Beide Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem verhängte die 3. Strafkammer ein Schmerzensgeld in Höhe von 130.000 Euro und verpflichtete die Angeklagten zum Schadensersatz in noch unbekannter Höhe.

„Er wird dauerhaft gehandicapt sein“

Die Szenen am Tatort waren extrem dramatisch. Der Junge, ein Nachbarskind, lag bewusstlos und blutend am Boden. Die Augen waren verdreht, die Zunge hing heraus. Seine Schwester (8) schrie: „Mama, Papa, kommt schnell runter! Mussa ist tot!“ Der Vater (37), selbst schreiend vor Entsetzen, hielt ein Auto an und brachte damit seinen Sohn ins Krankenhaus. Dort wurde ein schweres Schädel-Hirntrauma mit Hirnblutungen festgestellt. Ein Arzt soll gesagt haben: „Das einzige, was Sie für ihn tun können, ist hoffen und beten.“ Eine Not-OP rettete Mussa aber. Ein halbes Jahr musste er sich stationär und mit mehreren OP zurück ins Leben kämpfen. Bis heute leidet er psychisch wie physisch enorm. Einzelheiten sind zutiefst Mitleid erregend. Keiner weiß, ob er je wieder ganz gesund wird. „Er wird dauerhaft gehandicapt sein“, sagte Richter Johannes Kirfel.

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Die Schuldfrage ist umstritten. Der Sesselwerfer („Es tut mir leid“) hatte behauptet, den Auftrag zum Werfen von seinem Chef erhalten zu haben. Die Möbel sollten wohl nicht mühsam durchs enge Treppenhaus geschleppt werden. Doch der 52-Jährige bestritt, den Arbeiter dazu angewiesen zu haben. Richter Kirfel glaubte ihm aber „kein einziges Wort“. Er habe „versucht, sich aus der Verantwortung zu stehlen“. Laut Urteil hatte der Mann vor dem Sesselwurf sogar selbst Teile durchs Fenster geworfen. Kirfel warf ihm „ein erhebliches Maß an Pflichtverstoß“ vor.

Für die Mutter (33) von Mussa war das Urteil „viel zu milde“, wie sie nachher sagte. Sie hatte eine Gefängnisstrafe für den 52-Jährigen erhofft. Dennoch könne sie mit dem Urteil nun leben - „solange Mussa läuft und lacht“. Zurzeit geht er in den Kindergarten.