Bochum. Noch gibt es genügend Allgemeinmediziner mit Praxen in Bochum. Aber mehr als 30 Prozent der Hausärzte sind älter als 60 Jahre. „Wir arbeiten immer länger und werden auch gebrechlicher“, sagt Allgemeinmediziner und KV-Bezirksstellenleiter Dr. Eckhard Krampe. Es fehlt an Nachwuchs.

Der Gang zum Hausarzt ist beschwerlich – wegen einer Grippe oder weil die Pumpe plötzlich schneller schlägt als sie es tun sollte. Aber anders als in ländlichen Gebieten gibt es in Bochum noch genügend Hausärzte. Eine Statistik der Kassenärztlichen Vereinigung weist eine Überversorgung mit 116,5 Prozent aus. Überhaupt ist Dr. Hans-Peter Peters, Vorsitzender des Ärzteverein Bochums und stellvertretender Vorsitzender des Hartmann-Bundes Westfalen-Lippe, der Ansicht, von einem vermeintlichen Ärztemangel im Land könne überhaupt keine Rede: „Tatsache ist, dass wir im Moment so viele Ärzte haben wie noch nie“ – und zwar etwa 20 Prozent zu viel.

Das indes ist nur die eine Seite der Medaille. Sollte sich in den nächsten Jahren nicht gravierend etwas ändern, dann fehlen nicht nur in extrem unterversorgten Regionen wie Ennepetal (74 Prozent) oder Vlotho (72) Allgemeinmediziner, die sozusagen das Rückgrat der bundesdeutschen medizinischen Versorgung bilden. Auch in Bochum, immerhin ein Zentrum medizinischer Kompetenz und ein Stadt mit blühender Gesundheitswirtschaft, oder auch in anderen Ballungszentren droht ein ernstzunehmender Mangel, zumal jetzt schon in den äußeren Stadtteilen zu Engpässen kommt.

"Perspektivisch kommt ein Riesenproblem auf uns zu"

300 junge Hausärzte müssten jedes Jahr im Land eigentlich Praxen übernehmen, tatsächlich sind es nur 100. „Perspektivisch kommt ein Riesenproblem auf uns zu“, sagte FDP-Landtagsabgeordneter Ralf Witzel im Rahmen eines vom Hartmannbund organisierten Meinungsausstauschs zum Thema „Perspektiven örtlicher Gesundheitsvorsorge“ in der Gesellschaft Harmonie. Die Zahlen sprechen auch in Bochum Bände: Das Durchschnittsalter der Hausärzte in insgesamt 214 Praxen liegt bei 55,2 Jahren. Der älteste, noch aktive Hausarzt ist 74 Jahre alt, zehn Prozent seiner Kollegen sind über 65, 34 Prozent über 60 Jahre alt.

„Wir arbeiten immer länger und werden auch gebrechlicher“, sagt Allgemeinmediziner Dr. Eckhard Krampe, der zugleich als Bezirksstellenleiter der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) fungiert. Während die Neubesetzung einer Hausarztpraxis früher drei Monate dauerte, in dieser Zeit einigten sich Käufer und Verkäufer über die Übergabemodalitäten, gehen jetzt zwei Jahre dafür ins Land. Und das sei selten eine Frage des Preises.

Einige Praxen werden gar nicht mehr neu besetzt. „Und 18 der 214 hausärztlichen Praxen werden gar nicht mehr als solche, sondern fachärztlich genutzt“, so Dr. Krampe. „Das ist schon ein Problem.“ Tatsächlich kommen damit rechnerisch nicht knapp 1705 Patienten auf einen Hausarzt, sondern 1861. Und in Zukunft dürften es noch mehr werden.

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Längere Wartezeiten, immer älter werdende Hausärzte, unter Umständen sogar ausbleibende Vertretungen im Krankheitsfall des Mediziners. Welche Erfahrungen, liebe Leser, machen Sie mit den Hausärzten in Bochum?

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Vergütung und Arbeitsbelastung schrecken offenbar eher ab

23 Bochumer Hausärzte, so KV-Bezirksstellenleiter Dr. Eckhard Krampe, würden ihre Praxis gerne abgeben, finden aber keine Nachfolger. Junge Ärzte und Ärztinnen würden eher Teilhaber in Gemeinschaftspraxen werden als alleine eine Praxis zu übernehmen. Das hat nach Einschätzung der Experten zu tun mit der großen Arbeitsbelastung, nach wie vor fehlender ökonomischer Schulung im Studium, so Bürgermeisterin und Ärztin Astrid Platzmann-Scholten, und einer Vernachlässigung in der Ausbildung. „Ich denke der Beruf des Hausarztes ist in den Kliniken nicht bekannt oder präsent, gerade in der Ausbildung“, so Dr. Krampe.

Mit der Entkopplung von ambulanter Versorgung und Notdienst hatte die KV eigentlich gehofft, das Problem in den Griff zu bekommen, weil so die Arbeitsbelastung der Mediziner deutlich reduziert wurde. „Wir hatten gedacht, jetzt kommt ein Run auf die Allgemeinmedizin“, sagt Dr. Krampe.

Es kam nicht so. Und die Lage wird immer prekärer: In Herne etwa seien die letzten sieben Hausarztpraxen an einen einzelnen Mediziner verkauft worden. In Ennepetal sei es im Vorjahr dazu gekommen, dass ein Mediziner seine Praxis, die er kostenlos an einen Nachfolger abgeben wollte, schließen musste. Mangels Interesse.