Bochum. . Die Anzahl der Selbstanzeigen in Bochum hat so stark zugenommen, dass ein Bochumer Fachanwalt für Steuerrecht sogar mehr Personal eingestellt hat. “Wir gehen auf das Dreistellige zu“, sagte er auf WAZ-Anfrage über die Menge der Selbstanzeigen, die seine Kanzlei bearbeitet.
Auch in Bochum gibt es offenbar zahlreiche Steuerstraftäter, die mit einer Selbstanzeige nun reinen Tisch machen wollen. Wie Burkhardt Jordan, Bochumer Fachanwalt für Steuerrecht, am Dienstag auf WAZ-Anfrage sagte, habe die Anzahl der Selbstanzeigen in seiner Kanzlei „Jordan Fuhr Meyer“ in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen. „Wir gehen auf das Dreistellige zu.“ Deshalb habe sich seine Kanzlei (16 Anwälte) sogar „personell verstärkt“. Seine Klienten kämen aus Bochum und aus ganz NRW.
Nach Auskunft des Finanzministeriums ist bei der Bochumer Steuerfahndung, die außer für Bochum selbst auch für mehrere weitere – kleinere – Finanzämter zuständig ist, allein in den vergangenen zwei Monaten die Anzahl der Selbstanzeigen mit Bezug zur Schweiz um 130 angewachsen. Anfang Februar lagen den Steuerbehörden bereits 1270 Selbstanzeigen aus Bochum vor, beziehungsweise waren bereits abgearbeitet worden. In ganz NRW war die Anzahl seit Dezember 2013 sogar um 1100 angestiegen – auf jetzt rund 12.700.
"Die Hose muss runter bis zu den Knöcheln, nicht nur bis zu den Knien"
Wegen ständiger Medienberichte über aufgeflogene Geldverstecke im Ausland bekommen immer mehr Menschen kalte Füße – und entscheiden sich für eine strafbefreiende Selbstanzeige. Doch ob die Behörden bei einer solchen Offenlegung auch wirklich auf eine Bestrafung verzichten und sich nur mit einer Steuernachzahlung zufrieden geben, ist für einen Laien nur schwer oder gar nicht vorhersehbar.
Den Finanzbehörden einfach nur einen Kontoauszug vorzulegen oder die Kapitalertragsaufstellungen der Banken abzuschreiben, reicht nicht aus; viel zu kompliziert sind die Vorschriften zum Beispiel zu Freibeträgen und anderen Steueraspekten. Rechtsanwalt Jordan: „Wenn ich mich selbst medikamentiere, habe ich Nebenwirkungen, die ich nicht abschätzen kann.“ Außerdem müsse der Selbstanzeigende immer mit der vollen Wahrheit heraus: „Die Hose muss runter gelassen werden bis zu den Knöcheln, nicht nur bis zu den Knien.“ Unter www.steuerstrafrecht24.de hat er sogar eine spezielle Internetseite eingerichtet.
Bei seinen Klienten mit einer Selbstanzeige würde er die „ganze Bandbreite an Emotionen“ erleben. Die wenigsten seien cool, viele hätten Angst und fühlten sich in einem „Rechtfertigungszwang“. Außerdem müssen sie dabei viel Geduld haben. Bis klar sei, ob man nach der Selbstanzeige auch wirklich straffrei ausgehe, könne es wegen langer Bearbeitungszeiten bei Banken und Finanzbehörden mehr als ein Jahr dauern, meint Jordan.
Dreistellige Millionen-Nachzahlungen
Seit 2008 arbeitet die Staatsanwaltschaft Bochum Steuerverstecke in Liechtenstein ab. Wie Oberstaatsanwältin Cornelia Kötter sagte, habe es 1167 Verfahren gegen 1515 Beschuldigte gegeben. 47 Verfahren seien noch offen. Dabei wurden neben Steuernachzahlungen „im deutlichen dreistelligen Millionenbereich“ 53,4 Mio Euro Geldauflagen verhängt.
Parallel ermitteln die Bochumer Staatsanwälte im Komplex Schweiz (UBS-Bank). Dabei erhoffen sie sich ebenfalls Millionen-Nachzahlungen im dreistelligen Bereich.