Bochum. . Der ausgesprochen milde Winter lässt es bereits jetzt kräftig blühen. Im Botanischen Garten an der Ruhr-Universität Bochum lohnt ein genauer Blick auf die Natur, die langsam aus dem Winterschlaf erwacht. Doch auch wenn es noch einmal kälter werden sollten, sind die Pflanzen gut vorbereitet.

Der ganze Botanische Garten an der Ruhr-Universität liegt im tiefen Winterschlaf. Falsch! Das milde Wetter und die speziellen Eigenschaften einiger Pflanzen sorgen dafür, dass zwischen schlappen Blättern oder kahlen Sträuchern manch kecke Blüte hervorblitzt. Direktor Prof. Thomas Stützel nimmt sich die Zeit und lenkt das Auge des Besuchers.

Gelb leuchtet etwa der Winter-Jasmin oder einige Meter weiter tiefer im Park blüht in zartem Weiß-Rosa die „Wohlriechende Heckenkirsche“. Sie braucht eigentlich Mittelmeergebirgsklima. „Wenn jetzt noch Frost kommt, stirbt zwar die Blüte, der Pflanze geschieht jedoch nichts“, sagt Stützel. Pech haben allerdings die Bienen, die in den letzten Tagen sich vom warmen Sonnenschein täuschen ließen, um die duftenden Blüten aufzusuchen. Fällt die Temperatur nur um ein paar Grade, sterben sie auf dem Flug zurück in den Stock.

Gewinner und Verlierer

Eine wahre Überlebenskünstlerin die die Christrose. Ihre kräftigen weißen Blüten recken sich der Sonne entgegen. Es ist durchaus üblich, dass sie um diese Jahreszeit blüht. Kann sie auch beruhigt. Mit einem Trick trotzt sie dem Frost. Sobald es kälter wird, weicht das Wasser aus Stil und Blättern. Eine Art Zucker bleibt zurück, der verhindert, dass die Pflanze einfriert. Sie legt sich wie tot mit grau-grünen Blättern platt auf die Erde. Kaum wird es wärmer, streckt sie sich wieder aus.

Thomas Stützel kennt viele solcher Geschichten. Aus seiner Studentenzeit erinnert er sich an einen Alpen, der einst aus einem Terrarium entwich. Tage später fand er das Tierchen völlig vertrocknet und leblos am Generator hinter der Kühltruhe. Doch siehe da. In wenigen Tagen erholte es sich wieder wieder. Das erlebte schon „Tiervater“ Brehm. Ein Alpensalamander überlebte, obwohl er stundenlang in einem Eisblock tiefgefroren worden war.

Bunte Frühlingsvielfalt im Botanischen Garten Bochum

Ein Strauch der
Ein Strauch der "wohlriechenden Heckenkirsche" steht bereits in voller Blüte im Botanischen Garten der Ruhr Universität. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Prof. Thomas Stützel vom Lehrstuhl für Evolution und Biodiversität der Pflanzen wundert es nicht, dass es schon im Januar nach Frühling aussieht - die Natur hält sich nicht an den Kalender.
Prof. Thomas Stützel vom Lehrstuhl für Evolution und Biodiversität der Pflanzen wundert es nicht, dass es schon im Januar nach Frühling aussieht - die Natur hält sich nicht an den Kalender. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Die zarte
Die zarte "wohlriechende Heckenkirsche" benötigt eigentlich Mittelmeergebirgsklima, um sich zu entfalten. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Was blüht denn da? Schneeglöckchen säumen den Weg im Botanischen Garten.
Was blüht denn da? Schneeglöckchen säumen den Weg im Botanischen Garten. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Auch der Winterjasmin zeigt bereits seine gelben Blüten.
Auch der Winterjasmin zeigt bereits seine gelben Blüten. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Farbenfrohe Natur im Januar: Ein Alpenveilchen in intensivem Violett.
Farbenfrohe Natur im Januar: Ein Alpenveilchen in intensivem Violett. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Für die Christrose ist es nichts Ungewöhnliches, im Januar bereits zu blühen.
Für die Christrose ist es nichts Ungewöhnliches, im Januar bereits zu blühen. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Die Christrose ist eine Überlebenskünstlerin - sie kann auch plötzlichen Frost überstehen.
Die Christrose ist eine Überlebenskünstlerin - sie kann auch plötzlichen Frost überstehen. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Aus Schnee lassen sich momentan keine formen. Beschnuppern lässt sich dafür bereits der Duftschneeball (oder auch Winterschneeball), der den Botanischen Garten ziert.
Aus Schnee lassen sich momentan keine formen. Beschnuppern lässt sich dafür bereits der Duftschneeball (oder auch Winterschneeball), der den Botanischen Garten ziert. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Die filigranen Blüten der Zierpflanze befinden sich an Sträuchern: Sie können sogar schon im November blühen.
Die filigranen Blüten der Zierpflanze befinden sich an Sträuchern: Sie können sogar schon im November blühen. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
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Richard Köhler von der Biologischen Station Östliches Ruhrgebiet sieht Gewinner und Verlierer. „Manche Arten profitieren, manche leiden unter diesen Bedingungen.“ Bestimmte Tiere, die atlantisches Klima bevorzugen, freuen sich, diejenigen, die kontinentales Klima mögen, denen fehle etwas. Beispiel Erdkröte oder Grasfrosch: Bis zu sechs Wochen früher können sich die Amphibien auf die Wanderschaft zu den Laichplätzen begeben. Ablaichen können sie wegen der zu geringen Wassertemperaturen allerdings kaum. „Die Natur ist halt sehr anpassungsfähig.“ Klage übers Wetter gebe es immer – meist von den Menschen.

Auf dem Bau wird bis Null Grad gearbeitet

Die lange Unterhose ist auf dem Bau zwischen November und März unverzichtbar. In dieser Saison allerdings konnten Maurer, Zimmerleute und Dachdecker das nützliche, aber eher ungeliebte Kleidungsstück im Schrank lassen. Wirklich kalt ist es in diesem Winter bislang nur sehr selten geworden. Was nicht nur für erträglichere Temperaturen am Arbeitsplatz sorgt, sondern überhaupt Arbeit beschert und die Schlechtwettergeldkasse, eine Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft, nicht belastet.

„Wir haben gut zu tun“, sagt etwa Stuckateur Stefan Littmeier. Er ist froh darüber, dass unsere Region bislang von Kälte verschont geblieben ist. „Denn jeder Tag Frost ist Geld.“ Geld, das er nicht verdienen kann.

Das gilt auch für Dachdecker Siegfried Schilling, der sich indes in einer geradezu paradoxen Situation befindet. „Wir könnten mehr arbeiten, aber das Geschäft läuft eher schleppend.“ Im Vorjahr war das noch ganz anders – aber damit auch nicht wie gewünscht. „Damals hatten wir Auftrag satt, mussten aber trotzdem Kurzarbeit anmelden, weil das Wetter so schlecht war.“ Die Branche sei momentan zweigeteilt. Einige Betriebe hätten gut zu tun. „Aber ich habe auch mit Leuten gesprochen, die gesagt haben, sie müssten Insolvenz anmelden, wenn sich in den nächsten ein, zwei Wochen nichts tut.“

Das perfekte Wetter

Zweigeteilt ist auch das originäre Baugeschäft. „Es ist wie immer. Es gibt Betriebe, die haben gut zu tun, und andere eben weniger“, sagt Obermeister Markus Schmidt.

Momentan sei das Wetter perfekt. Bei Temperaturen bis um die 0 Grad Celsius lässt sich problemlos auf dem Bau arbeiten. Selbst Beton kann verarbeitet werden, denn der wird bereits gewärmt zur Baustelle transportiert. „Ab minus fünf Grad geht aber nichts mehr“, sagt Schmidt. Wovon zumindest noch keine Rede sein kann. Allerdings sind die langen Unterhosen immer griffbereit.

Michael Weeke und Andreas Rorowski