Bochum. . Vor dem Hintergrund zunehmender Internetsucht diskutierten Experten auf einem Symposium in Bochum über Risiken und Chancen für die psychische Gesundheit. Mehr als 500.000 Menschen in Deutschland gelten als internetabhängig und therapiebedürftig.

Das Internet ist nicht gut, und das Internet ist nicht schlecht – problematisch können nur die Inhalte sein. Computerspiele oder Cybersex etwa können die Menschen krank machen. „Mehr als 500.000 Menschen in Deutschland gelten als internetabhängig und therapiebedürftig“, berichtet Prof. Dr. Stephan Herpertz.

Am Wochenende war der Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Gastgeber eines Kongresses am LWL-Uni-Klinikum an der Alexandrinenstraße. Experten diskutierten über „Computer und Internet – Risiken und Chancen für die psychische Gesundheit“.

Anreize sind unklar

Seit etwa einem Jahrzehnt beobachten Wissenschaftler wie Dr. Bert te Wildt die zunehmenden Symptome. „Vor zehn Jahren ging es los mit der Abhängigkeit von Cybersex und Spielen im Internet“, sagt er. Inzwischen wissen die Experten, dass das Internet regelrecht süchtig machen kann. In der vor einem Jahr gegründeten Medienambulanz melden sich jede Woche bis zu fünf Patienten mit Suchtsymptomen. Schwerkranke müssten stationär behandelt werden.

Unklar ist jedoch noch, welche Anreize die Sucht auslösen. „Es ist ein Unterschied, ob man ,War of the World’ spielt oder Pornografie sucht“, sieht Prof. Dr. Matthias Brand von der Uni Duisburg-Essen durchaus unterschiedliche Facetten, die es zu analysieren gelte. Gefährlich sei jedenfalls die ständige Verfügbarkeit: „Pornografie in Medien gab es schon immer. Neu ist das Angebot an sieben Tagen rund um die Uhr.“

Lange Wartezeiten für eine Therapie

Was den Medizinern und Psychotherapeuten noch fehlt, ist die offizielle Anerkennung der Internetsucht. Hier setzen sie auf Zeit und die Erfahrung mit der Bulimie. „Bis die Ess-Sucht wissenschaftlich beschrieben wurde, gab es sie nicht. Erst dann meldeten sich tausende von Frauen, die darunter litten“, so der Klinikdirektor.

So sehr die Experten auf die Folgen eines übermäßigen Internet-Konsums verweisen: Sie setzen das Internet gleichwohl zur Behandlung ihrer Patienten ein. „Denn hier im Ruhrgebiet beträgt die Wartezeit auf eine ambulante Psychotherapie vier Monate“, sagt Dr. Herpertz. Um den Kontakt zwischen Therapeut und den „in alle Welt verstreuten Patienten“ in dieser Zeit nicht abreißen zu lassen, könnten Medien wie Skype hilfreich sein.

„Ein Spiel ist nicht per se böse“

Oder gar Computerspiele. „Ein Spiel ist nicht per se böse“, findet Dr. Matthias Brand. So würden Veteranen des Irak-Kriegs mit „Shooter-Spielen“ behandelt: „Das sind ähnliche Spiele wie die, mit denen sie auf den Krieg vorbereitet wurden.“

Der Kongress am vergangenen Wochenende war das 21. Wissenschaftliche Symposium für Psychotherapie am LWL-Universitätsklinikum Bochum. Die Medienambulanz ist montags bis freitags von 8 bis 16 Uhr erreichbar. Termine müssen telefonisch vereinbart werden: 0234/50 77 33 33.