Hemer. Wenn der Alltag, der Job, die Schule oder das Studium nur noch frustrieren, ziehen sich viele Menschen, vor allem Männer, ins Internet zurück. Depression und auf ein Minimum reduzierte Sozialkontakte sind die häufigsten Begleiterscheinungen. Die Bochumer Ambulanz für Internetabhängige kann helfen.
Das Internet und Computerspiele können süchtig machen. Die Ambulanz für Internetabhängige in Bochum erhält wöchentlich Zugang von vier bis fünf neuen Patienten. "Die mit Abstand größte Gruppe kommt aus dem Bereich der Online-Spiele", sagte am Freitag der Arzt und Psychotherapeut Bert te Wildt von der Bochumer Ambulanz für Internetabhängige am Rande der Tagung "Modediagnosen in der Psychiatrie" in Hemer. Mit Abstand folgen Cybersexsüchtige. Zahlenmäßig gering ist noch die Gruppe junger Frauen, die sich exzessiv in sozialen Netzwerken tummeln und Spuren davontragen.
Meist sind es männliche Jugendliche und junge Männer, die Onlinespielen verfallen. Sie drohen im realen Leben, in der Schule oder im Job zu scheitern. "Die Betroffenen ziehen sich ins Internet zurück und finden in manchen Fällen von selbst nicht mehr heraus", sagte te Wildt. Reale Erfahrungen werden dabei immer weniger. Die Kontakte beschränken sich weitgehend auf Mitspieler im Internet.
Rückzugsort: Internetgemeinde
"Das Internet ist dann der einzige Ort, in dem sie dann noch etwas Positives erleben können." Die Erfahrungen in der realen Welt seien für sie eher kränkend und beängstigend, betonte te Wildt, Mediziner an der Bochumer Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe.
Die Abhängigkeit entsteht vor allem, weil man online auch Kontakt zu Mitspielern hat und die Spielehersteller es verstehen, immer neue virtuelle Welten und Spiellevel zu bieten. "Man kann dort unendlich lange spielen und Anerkennung als Held finden." Studien zufolge sind mehr als eine halbe Million Menschen in Deutschland internetabhängig. Die häufigsten Begleiterscheinungen sind nach Erfahrung der Ambulanz Depression und Soziophobie, die Angst vor sozialen Kontakten.
Ersatzsuche für fehlendes Sexleben
Besessen von Cybersex sind vor allem Männer eher mittleren Alters. Sie sehen und sammeln ständig Pornografie im Netz. Meist gehe es gar nicht um die Anbahnung von Kontakten. Häufig sei sogar das Gegenteil der Fall, eine Art Ersatzsuche, wenn bestimmte sexuelle Neigungen nicht ausgelebt werden können, weil diese eine Beziehung gefährden würden oder illegal sind.
Die Abhängigkeit von sozialen Netzwerken betrifft eher junge Frauen, die dann sogar leichte psychische Entzugserscheinungen entwickeln können, wenn sie einmal für einen Moment nicht online sein könnten, sagte te Wildt. (dpa)