Bochum. Soziale Netzwerke wie Facebook und Online-Spiele wie World of Warcraft veranlassen immer häufiger Jugendliche, sich in eine virtuelle Realität zu flüchten. Von dieser Entwicklung sind vor allem junge Männer betroffen. In Einzel- und Gruppentherapien wird versucht, die Sucht zu besiegen.
Marianne Bernhard (Name geändert) sorgt sich um ihren Sohn. Sie fürchtet, dass ihr der 20-Jährige entgleitet – aus der Realität in eine Computerspielwelt. „Er verbringt zu viel Zeit mit seinen PC-Spielen“, erzählt sie. Lieber schlüpfe er in „Ego-Shootern“ in die Perspektive fiktiver Spielfiguren, statt sich mit Freunden zu treffen. „Er lässt seine sozialen Kontakte verkommen. Ich weiß nicht, was ich tun soll.“
Bernhard sitzt neben weiteren Angehörigen und Betroffenen im Tagungsraum der Uni-Klinik, um sich über Computer- und Internetabhängigkeit zu informieren. Mit der Verbreitung der digitalen Medien sind auch neue Suchtplattformen entstanden. Soziale Netzwerke wie „Facebook“ oder Online-Fantasy-Rollenspiele wie „World of Warcraft“ ziehen vor allem jüngere Männer in ihren Bann. „Wir behandeln rund 2500 junge Patienten im Jahr, ein Drittel davon zeigt Symptome einer Computerspiel- oder Internetabhängigkeit“, berichtet Dr. Andreas Richterich, Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie am St. Josefs-Hospital. Darunter seien einige Extremfälle. „Es gibt Heranwachsende, die 80 Stunden pro Woche spielen und nebenbei noch zur Schule gehen“, weiß Richterich.
Acht Kriterien für die Sucht
Wenn PC-Spiele, soziale Netzwerke oder das Internet zusehends den Alltag bestimmen, kann eine Suchterkrankung vorliegen. „Es gibt acht Kriterien für eine Sucht, fünf davon müssen erfüllt sein, um als süchtig zu gelten“, erläutert Dr. Bert te Wildt, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Leiter der Medienambulanz für Menschen mit Internet- und Computerspielabhängigkeit an der LWL-Uniklinik.
Wenn sich die Gedanken ständig ums Internet oder das Spielen drehen, wenn mehr Zeit damit verbracht wird, wenn Versuche erfolglos bleiben, die Dauer zu begrenzen sind das Merkmale. Weitere Kriterien: Ruhelosigkeit, sobald man nicht spielt, vernachlässigte soziale Kontakte, Verpflichtungen und sogar Körperhygiene und das Gefühl, dass Computerspiele und das Internet gebraucht werden, um Sorgen und Ängste zu vergessen.
Immer mehr Therapieangebote
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Es sei wichtig, mit professioneller Hilfe den Weg aus der virtuellen Welt zu finden. „Für einige Menschen kann es existenziell bedrohlich werden, wenn sie das Computerspielen zugunsten eines realen Lebens aufgeben“, weiß te Wildt. In Gruppen- und Einzeltherapien versuchen er und seine Mitarbeiter, Suchtkranke auf das Leben außerhalb des Bildschirms vorzubereiten.
Auch Marianne Bernhard versucht, ihren Sohn zu diesem Schritt zu bewegen, um ihn mit der Hilfe der Experten aus der Sucht zu holen: „Ich glaube, viele Eltern werden damit alleine gelassen. Daher finde ich gut, dass es immer mehr thematisiert wird und es Therapieangebote gibt.“