Essen. Mit dem Projekt „2.0 Exit“ will der Caritasverband jungen Leuten helfen, ihre Smartphone- und Internetsucht zu besiegen. Eine bundesweite Studie besagt, dass die Gruppe der 14- bis 24-Jährigen mit 250.000 Abhängigen und 1,4 Millionen problematischen Nutzern besonders betroffen ist.
Aus Elternsicht erscheint’s sicher sinnvoll, wenn der Nachwuchs stets und überall erreichbar ist, und das vom Kindergarten- und Grundschulalter an. So haben die Kleinen meist – noch bevor sie lesen und schreiben können – ein eigenes Smartphone, das alles bietet: Zugriff aufs Internet, Twitter und Facebook, SMS, Video- und Chat-Funktionen und natürlich Telefonie. „Oft reicht Eltern ein ganz einfaches Handy für ihre Kind nicht aus. Es muss gleich das teuerste her, denn für sie ist das Handy ihrer Kinder ein Statussymbol für sich selbst“, weiß Angela Felix nur zu gut. Die 49-Jährige leitet die Familien- und Erziehungsberatung beim Caritasverband für die Stadt Essen.
Die bundesweite PINTA-Studie 2012 der Drogenbeauftragten des Bundes zur Internetabhängigkeit besagt, dass die Gruppe der 14- bis 24-Jährigen mit 250.000 Abhängigen und 1,4 Millionen problematischen Nutzern besonders betroffen ist.
Die Familien- und Erziehungsberatung des Caritasverbandes für die Stadt Essen erreichte im vergangenen Jahr 591 Kinder/Jugendliche und deren Angehörigen. 64 Beratungen hiervon waren Internetberatungen über das Onlineportal www.caritas.de/onlineberatung. 2011 waren es noch 50. „Immer häufiger geht es in unseren Beratungen um exzessive Spielkonsolen-, Internet-, Computer- und vor allem Smartphonenutzung“, so Felix. Auf diesem Gebiet kannte man sich bei der Caritas bisher jedoch nur begrenzt aus. Mit dem bistumsweit einmaligen Projekt „2.0 Exit“ greife man dieses Problem auf, „denn es ist wichtig sich mit dem Krankheitsbild zu beschäftigen.“
Dafür zuständig ist eine neue Kollegin im Team: Susanne Schulte, 23 Jahre alt und ausgebildete Ergotherapeutin. Die junge Frau studiert Gesundheitswissenschaften in den letzten Semestern und weiß, dass hoher Medienkonsum bei geringer Medienkompetenz das Risiko einer Internetabhängigkeit begünstigt – vor allem wenn es so einfach ist: mit dem Smartphone.
Mit dem Internet groß geworden
„Ich bin mit Internetspielen groß geworden und kenne die gelebte Mediensucht, die man als solche eigentlich nicht erkennt“, betont die junge Frau. „Eigentlich ist es bei Jugendlichen hip und cool, immer am Handy zu sein und zu spielen. Die Abgrenzung zwischen Mediennutzung aus Gewohnheit und Interesse oder gegen Langeweile zu Suchtverhalten ist nicht einfach.“ Exzessives Spielen am Computer könne auch ein pubertäres Übergangsphänomen darstellen. „Anders als stoffgebundene Abhängigkeitserkrankungen wie Alkohol- und Drogensucht haben Internet- und Computersucht bisher keinen anerkannten Krankheitswert“, betont Felix. Entsprechendes Diagnosematerial, die Klassifizierung der Symptome und das Anerkennen von Mediensucht als Krankheit durch die Kassen fehlten.
„Doch wir müssen etwas tun. Daher steht für mich die Einzelfallberatung im Vordergrund“, betont Schulte. Es sei wichtig zu schauen, wo der Jugendliche gerade stehe, wo Probleme sind und warum er in die Medienwelt flüchtet. Oft wüssten sie gar nicht, was alles passieren kann: Ein Beispiel seien Internetspiele, die erst einmal kostenlos sind.
Kleine Spielehelfer kosten echtes Geld
„Doch um Erfolg zu haben, sind kleine Helfer im Spiel notwendig und die kosten echtes Geld“, so Schulte. Ein Klick reiche, dann sei das Geld weg. Das Erfolgserlebnis bleibe jedoch nicht lange und so sei bald der nächste Klick notwendig. Wer an dieser Stelle keinen Ausweg finde, der manövriere schnell in Richtung Sucht. „Mit Betroffenen überlegen wir, wie sie ihre Freizeit anders nutzen können – ohne Computer und Smartphone“, erklärt Schulte. Das Angebot richtet sich besonders an Familien und junge Menschen, die von Armut bedroht oder betroffen sind.
„Der Projektname 2.0 Exit meint, das reale Leben wieder zu gewinnen, den Ausgang aus der virtuellen Welt zu finden und den Weg in das reale Leben mit professioneller Unterstützung zu meistern“, sagt Schulte. Die virtuelle Welt müsse wieder zur Nebensache werden, um sich im realen Leben mit all seinen Freuden aber auch Belastungen zurecht zu finden.
Persönliche Beratung im Caritashaus
Susanne Schulte hilft dabei – in der persönlichen Beratung im Caritashaus in der Niederstraße 12-16, telefonisch unter 32 00 385, über den Nachrichtendienst „WhatsApp“ und mobil unter 01 63 / 83 11 820, auf „Skype“ sowie über den Facebook-Account „Caritas 2.0. Exit“. Schulte und die Caritas holen die Jugendlichen dort ab, wo sie sich aufhalten. Die „Aktion Lichtblicke“ fördert daher das auf 18 Monate angelegte Projekt mit 45.900 Euro.