Bochum.
Gellende Pfiffe und deftige Zwischenrufe mussten sich die Outokumpu-Nirosta-Manager Tamara Weinert, Frank Brüggestrat und Jarmo Tonteri bei der außerordentlichen Betriebsversammlung des Bochumer Nirosta-Stahlwerkes reichlich anhören. Hunderte Stahlarbeiter und Angestellte des von der Schließung bereits im kommenden Jahr bedrohten Werks waren am Donnerstagmorgen eigentlich ins Gewerkschaftshaus gekommen, um Neuigkeiten zu erfahren: Komplette Fehlanzeige.
Ob die Deutschkenntnisse des sichtlich um Ausgleich bemühten Finnen Jarmo Tonteri ausreichten, um all die Kommentare vom „Beschiss“, über die „Verarschung“ bis zur „Abzocke“ in seine Muttersprache zu übersetzen, darf angezweifelt werden. Verstanden hat er mit Sicherheit die Mimik der zornigen oder betretenen Gesichter im mit knapp 500 Menschen besetzten Saal.
Auch die Bedeutung des schwarzen Sarges, den Stahlarbeiter in Arbeitskluft in die Halle trugen, dürfte ihm rasch aufgegangen sein. Denn: „sopimus on sopimus myös suomessa“ stand auf Finnisch auf der Kiste („ein Vertrag ist ein Vertrag, auch in Finnland“).
Outokumpu-Werk Bochum schließt
„Grober Vertragsbruch“
Die Unternehmensvertreter wiederholten während der nichtöffentlichen Versammlung, dass sie aufgrund der verschlechterten wirtschaftlichen Lage gezwungen seien das Bochumer Stahlwerk zu schließen, denn dies verspreche das größte Einsparungspotenzial. All dies habe man nicht gewusst, als man die Mehrheit an dem Edelstahlhersteller von Thyssen-Krupp erworben habe.
NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD), der als Gastredner auftrat: „Der entscheidende Vorwurf der Landesregierung besteht darin, dass hier offensichtlich ein grober Vertragsbruch eingeleitet wird.“ Es gebe einen gültigen Tarifvertrag und der müsse eingehalten werden. Bis Donnerstagnachmittag habe es noch nicht die von der IG Metall geforderte Unterlassungserklärung des finnischen Konzerns gegeben. Die Frist dafür läuft am heutigen Freitag um 10 Uhr ab.
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Die IG-Metallbevollmächtigte Eva Kerkemeier kündigte an, dass die Gewerkschaft unmittelbar nach Ablauf dieser Frist über weitere „juristische Schritte“ beraten werde. „Jedenfalls soll sich niemand eine falsche Vorstellung von unserer Kampfbereitschaft machen.“
„Wir sind doch nur ein Spielball“
Fast drei Stunden zog sich die zeitweise turbulente Betriebsversammlung des Outokumpu-Nirosta Werkes hin. Schlosser Frank Heising ging mit keinem guten Gefühl hin: „Wir sind doch nur ein Spielball“. Seine Kollegen neben ihm nicken zustimmend.
Wenig später appellierte Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) an die „soziale Verantwortung“ des Stahlunternehmens. NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) fand als gestandener Gewerkschafter ebenfalls kämpferische Worte: „Wir sind gegen eine Unternehmenskultur die von Willkür und Vertragsbruch geprägt ist.“
Gemüt der Stahlarbeiter schwankte zwischen Frust und Kampfeslust
Derweil hatten es die Vertreter des Unternehmens schwer. Bis vor die Türen des vollen Gewerkschaftssaales drangen die Protestpfiffe und Zwischenrufe der Stahlarbeiter, deren Gemüt schwankte zwischen Frust und Kampfeslust. Das half es auch nicht dass Outokumpu-Manager Jarmo Tonteri gleichsam die Schuld für die miserable Lage im weltweiten Stahlgeschäft von den Schultern der Bochumer Stahlkocher nahm: „Die jetzige Situation ist nicht ihre Schuld. Sie haben getan, was sie konnten.“
Übernächtigt aber konzentriert ging der Bochumer Betriebsratsvorsitzende Frank Klein später den vor einem Jahr geschlossenen Vertrag durch: „Wir sollen doch über den Tisch gezogen werden.“ Er finde es persönlich unerträglich, wie die Vertreter des finnischen Unternehmens vor die Mitarbeiter getreten seien. Verhandlungen über eine „Abwicklung des Werkes“ lehnte er entschieden ab: „Es gibt nichts zu verhandeln."