Bochum. .

Seit WAZ-Leserbeirat Jürgen Drebes (47) vor einigen Jahren eine Frau aus der jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen kennen lernte, gilt sein Interesse dem neu sich entwickelten Leben der jüdischen Gemeinde. Gern erklärte sich Grigory Rabinovich (57), ehrenamtlicher Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Bochum - Herne - Hattingen, zum Interview bereit. WAZ-Redakteur Michael Weeke hat es aufgezeichnet.

Herr Rabinovich, seit wann leben Sie in Bochum und wie gefällt es Ihnen hier?

Grigory Rabinovich: Ich bin in Moskau geboren und kam im Oktober 1992 nach Bochum. Ich kann sagen, dass ich Bochum richtig liebgewonnen habe, denn ich bin ein ausgesprochener Stadtmensch. Ich kam nach Deutschland aufgrund der Verträge mit der damaligen Sowjetunion, die auch auf Drängen des früheren Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, zustande gekommen sind.

Jüdisches Leben lässt sich hier bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen. Bis 1932 lebten rund 110 Juden in dieser Stadt, jetzt sind es wieder beinahe soviel Menschen. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?

Rabinovich: Wir kamen als Flüchtlinge. Heute identifizieren wir uns mehr mit der heutigen Generation der Deutschen – und sehen, dass dies nicht die Generation der Täter von damals ist. Aber sehr genau beobachten wir, wie die Deutschen, wie Deutschland mit der Geschichte umgeht, wie sie aufgearbeitet wird.

Die christlichen Kirchen beklagen eher rückläufige Mitgliederzahlen, was unterscheidet die Gemeindearbeit der jüdischen Gemeinde von den christlichen Gemeinden?

Rabinovich: Heute kommen weniger Juden aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Natürlich haben auch wir zunehmend ältere Menschen.

Was bieten Sie ihren jugendlichen Gemeindemitgliedern?

Rabinovich: Wir haben ein eigenes Jugendzentrum in unserem Gemeindezentrum. Da gibt es etliche Angebote, etwa auch einen eigenen Jugendgottesdienst. Ganz aktuell planen wir eine eigene Kindertagesstätte auch für unter Dreijährige zu bauen.

Jubiläumsfeier der Synagoge in Bochum

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    Welche kulturellen und sozialen Angebote gibt es in Ihrer Gemeinde?

    Rabinovich: Wir feiern natürlich die jüdischen Feste, bieten kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte. Es gibt ein Kinder- und ein Sommerfest. Dies sind wichtige Veranstaltungen auch für die Integration unserer Mitglieder.

    Gibt es Angebote für ältere, pflegebedürftige Gemeindemitglieder?

    Rabinovich: Ja, wir haben spezielle Angebote, wie den Treff Rambam in der Hu- stadt. Außerdem gibt es die Idee, ein eigenes Pflegeheim aufzubauen.

    Mich interessiert jüdische Musik. Was bieten sie da an?

    Rabinovich: Etwa zweimal im Jahr veranstalten wir Musikabende auch mit Klezmermusik. Auch die Bochumer Symphoniker haben bei uns gespielt.

    Wie kann ich mich über Ihr Gemeindeleben informieren?

    Rabinovich: Natürlich über die Tageszeitung, die WAZ. Veranstaltungen veröffentlichen wir auf unserer Internet-Seite.

    Direkt am Gemeindezentrum gib es ein jüdisches Restaurant „Matzen“. Essen Sie dort ab und zu?

    Rabinovich: Ja, und das sehr gerne. Mein Lieblingsessen dort ist „Borschtsch“. Aber probieren Sie selbst.

    Welche Ziele haben Sie sich für die Zukunft der Gemeinde gesetzt? Wie kann sich die Gemeinde weiter öffnen?

    Rabinovich: Es finden regelmäßig Führungen durch die Synagoge statt. Etwa 30 000 Besucher haben daran bislang schon teilgenommen. Außerdem ist unser jährliches Sommerfest eine gute Gelegenheit, um uns besser kennen zu lernen.