Bochum. . Der Jüdische Gemeinderat Bochum, Herne und Hattingen mit seinen rund 1200 Mitgliedern hat ein Problem: Es gibt zu wenig religiöses Wissen. Ihr Vorsitzender Dr. Michael Rosenkranz erklärt dies.

„Jüdische Kultur, die gibt es in Bochum kaum.“ Dr. Michael Rosenkranz (64) schüttelt bedauernd den Kopf. Der niedergelassene Arzt ist Vorsitzender des Jüdischen Gemeinderats Bochum, Herne und Hattingen. Rund 1200 Mitglieder stark ist die Gruppe, aber sie hat ein Problem: Mangelndes religiöses Wissen.

„Die Menschen erwarten immer, dass, wenn irgendwo eine neue Synagoge gebaut wird so wie hier in Bochum, sofort lebendige jüdische Kultur dort stattfindet“, meint Rosenkranz. Das Interesse allein an Führungen durch die Synagoge sei enorm. Aber in Bochum, wie auch in anderen deutschen Städten, stammen rund 98 Prozent der Juden aus der ehemaligen Sowjetunion. „Dort war das Ausleben der Religion verboten“, erklärt Rosenkranz. „Die meisten wurden atheistisch erzogen.“ Die junge Gemeinde in Bochum - bestehend seit 1994 - muss sich jüdische Geschichte, Religion und Kultur mühsam wieder erarbeiten.

Gemeinde ohne Rabbi

„Ein Großteil unserer Arbeit ist deshalb Religionsunterricht für Kinder und Erwachsene“, sagt Rosenkranz. Es gibt viel zu lernen: Von koscherem Essen und Sabbat bis zu den Ereignissen beim Auszug aus Ägypten. „Viele müssen sich die Religiosität erst erarbeiten“, erörtert Rosenkranz, „dann nehmen sie es oft sehr genau“. Die Gemeinde sei trotzdem weltoffen, irgendwo zwischen orthodox und liberal.

Synagoge in Bochum eingeweiht

Impressionen von der Einweihung der jüdischen Synagoge in Bochum. (Bilder: WAZ / Ingo Otto)
Impressionen von der Einweihung der jüdischen Synagoge in Bochum. (Bilder: WAZ / Ingo Otto) © WAZ
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Die Gottesdienste beispielsweise sind orthodox ausgerichtet: Es wird zwar gesungen, aber ohne instrumentale Begleitung. Da die Synagoge neben dem Planetarium an der Castroper Straße groß ist und meist nur 20 Gemeindemitglieder zum Sabbat am Freitagabend und Samstagmorgen kommen, wird der Raum einfach in der Mitte geteilt. „Rechts sitzen die Männer, links die Frauen“, erzählt Rosenkranz.

In der jüdischen Tradition besuchen die Geschlechter den Gottesdienst getrennt. Drei Hauptbestandteile hat die Zeremonie: Das Glaubensbekenntnis, das „18-Bitten-Gebet“, ähnlich dem „Vater-Unser“, sowie die Schriftlesung aus der Tora. „Übrigens müssen beim jüdischen Gottesdienst immer mindestens zehn männliche Mitglieder oder mehr anwesend sein, sonst kann er nicht stattfinden“, so Rosenkranz. Einen Rabbi hat die Gemeinde zurzeit nicht.

„Aktuell besteht die Gemeinde aus sehr vielen alten Menschen“, meint Rosenkranz. „Es wird spannend, ob es genug jungen Nachwuchs gibt, um die Gemeinde am Leben zu halten“. So lange bittet er um Geduld: „Es braucht Zeit, bis sich wieder jüdisches Leben in Bochum entwickelt“.

Pessach-Fest kurz vor Ostern

Kurz vor Ostern feiern Juden das Pessach-Fest. Es erinnert an den Auszug aus Ägypten und die Befreiung aus der Sklaverei und gehört zu den zentralen Feiern des Judentums. Sieben Tage - vom 7. bis 14. April - wird es meist als Familienfest mit diversen Riten gefeiert. Ein wichtiger Bestandteil der Tradition: Es darf nichts Gesäuertes gegessen werden, weshalb es auch „Fest der ungesäuerten Brote“ genannt wird. Traditionell wird ungesäuertes Matzen - ein trockenes Brot - verzehrt.