Bochum.

Lebte Louis Baare in heutiger Zeit, kein Zweifel, über die Skandälchen der Gegenwart, gleich, ob sie denn „Bochumer Filz“ oder „Honorar-Affäre“ heißen, lachte er sich ‘nen Ast: Zu seiner Zeit, zwischen 1854 bis 1895 als Generaldirektor des Bochumer Vereins, brachte er ganz andere Dinge ins Rollen. Nein, nicht für sich privat, für die Gussstahlfabrik ließen er oder seine Getreuen im Stadtparlament schieben und manipulieren, dass sich die Balken bogen.

In seinem klugen, jetzt erschienenen Buch „Ein Unternehmen und ,seine’ Stadt. Der Bochumer Verein und Bochum vor dem Ersten Weltkrieg“ liefert der Historiker Marco Rudzinski einen Industrie-Krimi, den heutige Manager allerdings nicht als Handreichung für unternehmerische Entscheidungen lesen sollten, denn die Bochumer Schwerpunkt-Staatsanwalt könnte sich freuen.

Gekürzte Fassung einer Dissertation

Das Buch ist eine gekürzte Fassung von Rudzinkis 2010 eingereichter Dissertation an der Ruhr-Universität. Als Doktorvater betreute der leider viel zu früh verstorbene Prof. Klaus Tenfelde dieses Projekt. Das Buch setzt sich in einer genau recherchierten – vor allem im Historischen Archiv Krupp, wo die alten Akten des Bochumer Vereins lagern – Art und Weise mit dem Gebaren eines bestimmenden Industriekonzerns zur Gründerzeit auseinander. Im Ruhrgebiet gab es, von Krupp in Essen einmal abgesehen, kein Hüttenunternehmen, das es mit dem Bochumer Verein aufnehmen konnte. Was wohl auch an der Symbiose von Stadt und Werk gelegen haben mag, die Louis Baare so geschickt eingefädelt hatte.

Etwa ging es um ein Grundstücksgeschäft mit der widerspenstigen katholischen Kirche: Hier hinderte ein zentral am Werk gelegenes Grundstück die Fabrik zwischenzeitlich an der Expansion. 1872 waren die Verhandlungen ins Stocken geraten. Hier zog nicht Baare, sondern der kath. Jacob Mayer die Fäden. Das ging soweit, dass Konkurrenten beim Kauf der Boykott durch sämtliche Mitarbeiter der Fabrik angedroht worden ist. In diesem Fall fruchtete der Druck allerdings nicht. Das Grundstück ging zunächst an jemand anderen.

Köstliche Beispiele

Rudzinski liefert köstliche Beispiele. Da wird auf Druck der Fabrik ein über Hunderte Jahre genutzter Weg über die Maarbrücke schlicht gekappt, gegen verbitterten Widerstand der alteingesessenen Bochumer Bürgerschaft. In der Stadtverordnetenversammlung wirkten sogenannte „Gussstählerne“ auch als sogenannte Hüttenpartei oder Hüttenfraktion, die als Angestellte oder Mitarbeiter im Rathaus die Interessen des Unternehmens vertraten.

Es war übrigens ein Journalist, der in Düsseldorf geborene Johannes Fusangel, der ab 1884 in der Westfälischen Volkszeitung einen Kleinkrieg gegen den Bochumer Verein führte. Ob seiner kritischen Berichterstattung erwarb er sich den Beinamen „Roter Johannes“.