Bochum. Der Hauptfriedhof am Freigrafendamm mit 83.670 Grabstellen ist für manchen auch ein Ort zum Spazierengehen. „Hier ist es ruhig und sehr gepflegt“, sagt eine Besucherin. Von anderer Seite gibt es aber Kritik am Pflegezustand.
Der Friedhof ist unser Park, in dem wir spazieren gehen“, sagt Anna Dobruk. Mit ihrem Mann besuchte sie am Dienstag wie mehrfach in der Woche ein Grab auf dem Hauptfriedhof in Altenbochum, im Volksmund oft nur „Freigrafendamm“ genannt. Die 74-jährige Bochumerin äußert nur Gutes. „Hier ist es ruhig - keine Autos, kein Geschrei - und sehr gepflegt. Das gefällt mir sehr. Ob im Sommer, Herbst oder Winter - es sieht wunderbar aus.“
Kühl und zugig war es am Dienstag auf dem Friedhof. Aber die klaren Farben der Herbstnatur, die vielen liebevoll geschmückten Gräber, geben der Atmosphäre etwas Trauliches und Geborgenes. Auf einem kleinen Stein auf einem Grab hat jemand sein Empfinden in nur einem einzigen Wort verdichtet: „Frieden.“
83.670 einzelnen Grabstellen
Insgesamt gibt es auf dem 52 Hektar großen Friedhof (inklusive des angrenzenden Friedhofs Altenbochum) 59.892 Gräber mit 83.670 einzelnen Grabstellen. Rechtzeitig vor Allerheiligen kümmern sich Hinterbliebene vermehrt um die Gräber. Doch die Qualität soll sich verschlechtert haben. „Die Friedhofskultur ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen“, sagt die Floristin Barbara Wörner vom Blumengeschäft Menke unweit des Haupteingangs. „Es ist nicht mehr so häufig, dass die ganze Familie regelmäßig zu Oma und Opa geht.“ Es werde zunehmend als lästige Pflicht empfunden. Außerdem würde vermehrt nur preisgünstiger Grabschmuck von Discountern gekauft.
Klage über Mangel an Kontrollen und zu wenig Sitzbänke
Kritisch äußert sich auch die Gärtnerin Bärbel Stötzel vom Geschäft nebenan. Sie beklagt zum Beispiel, dass die Stadt immer weniger Fachpersonal wie Friedhofsgärtner habe und der Gesamtzustand nicht mehr dauerhaft so gepflegt sei wie früher, jedenfalls auf den weiter entfernt liegenden Feldern Richtung Sheffieldring: Zu sehen sei dies am Zustand des Rasens, am Unkraut und am Laub. Sie beklagt auch einen Mangel an Kontrollen vor allem wegen Diebstahls. Vor allem Grablampen würden geklaut. Eine Besucherin bedauerte ferner, dass zu wenig Bänke bereitstünden.
Der Trend geht schon seit Jahren zur Urnenbestattung. Das ist pflegeleichter und günstiger. Traudel Wichmann (73), die mit ihrem Mann dort zu Besuch war, äußerte sich trotzdem positiv. „Hier auf dem Urnenfeld empfinde ich richtig Ruhe. Außerdem ist es sehr gepflegt. Ich möchte zwar noch 20 Jahre leben, aber hier möchte ich auch liegen.“
184 Sarg- und 1346 Urnenbestattungen im vorigen Jahr
Im vergangenen Jahr ab es auf dem Hauptfriedhof 184 Sargbestattungen und 1346 Urnenbeisetzungen. Das ebenfalls dort ansässige Krematorium verzeichnete im vorigen Jahr insgesamt 4575 Einäscherungen. Möglich sind auch anonyme Urnenbestattungen. Doch Gärtnerin Bärbel Stötzel bedauert, dass vielen nicht klar sei, dann keinen Ort zum Trauern zu haben. „Hinterher ist das heulende Elend: Warum habe ich das gemacht!“