Bochum. .
„ Ich lese, habe gelesen und werde lesen die Bücher von Wolfgang Welt als eine grundandere Art von Geschichtsschreibung“. So geschrieben von Peter Handke am Pfingstmontag 2012, gedruckt als Vorwort zur Textsammlung „Ich schrieb mich verrückt - Texte von Wolfgang Welt 1979-2011“. Der voluminöse Band, herausgegeben von Martin Willems, versammelt journalistische Arbeiten des Romanciers, der seit vielen Jahren als Nachtwächter des Schauspielhauses seine Brötchen verdient, gleichwohl Bücher im Suhrkamp-Verlag veröffentlicht hat.
Zunächst einmal ist es eine editorische Fleißarbeit, die hier vorliegt. Dokumentiert der Band doch in großer Anzahl oft kurze Rezensionen zu (vor allem) Musik, Literatur und Film, die in Magazinen wie Marabo und Sounds Anfang der 80er Jahre erschienen sind. Erst später und in zeitlich großem Abstand sind einige verstreute Arbeiten für so renommierte Publikationen wie Zeit, taz, Frankfurter Rundschau und FAZ dokumentiert. Zu einem Großteil sind die Texte erstmals in Buchform greifbar.
Dem Gonzo-Journalismus ganz nah
Der versierte Leser der Weltschen Romane lernt in diesen Texten keinen neuen Schreiber kennen. Hier wird die Umgebung des Schreibenden direkt in den Text eingespeist. Bei journalistischen Arbeiten mag es heutige Leser befremden, stets und immer konfrontiert zu werden mit themenfernen Vorlieben, Schrullen, knallhart subjektiven Einschätzungen und auch privaten Problemen. Welts journalistisches Schreiben in jenen Jahren kommt dem Phänomen des von Hunter S. Thompson geprägten Gonzo-Journalismus ganz nahe.
Er ist mittendrin und schreibt von da. Konsequent: „Es ist mir klar, dass der aus Bochum stammende Künstler kein Wort mehr mit mir sprechen wird, doch kann ich leider nicht lobhudeln, wenn mir mein Urteilsvermögen einen Verriss diktiert“, bekennt er etwa über Herbert Grönemeyers zweite Platte von 1981. Großartig.
Buddy-Holly-Liebe und Kunze-Verrisse
Über diese Jahre ist er ein meinungsstarker, extrem fachwissender - besonders rund um sein Idol Buddy Holly und die Musikgeschichte - Schreiber mit einem besonderen Sound. Nachlesen kann man nun legendäre Verrisse (Heinz Rudolf Kunze ist heute noch beleidigt, erzählte kürzlich Herausgeber Willems) und auch viele gute Geschichten, die aus der irgendwann untergegangenen Welt individuell-kritischer Stadtmagazine hervorgingen.
Es eröffnen sich ferner Blicke auf die subkulturelle Geschichte Bochums, die Nostalgie wecken, ohne je nostalgisch gewesen zu sein.