Bochum. Beim 2. Dead or Alive Poetry Slam im Schauspielhaus Bochum lieferten sich die toten und die lebenden Poeten ein Kopf an Kopf Rennen – vor allem Ernst Jandl und Thorsten Sträter sorgen für ein tobendes Publikum.

Moderator Sebastian 23 fühlt sich sichtlich wohl zwischen Tetris-Steinen, Pacman und verpixelter C64 – Schrift. Es ist der zweite Dead or Alive Poetry Slam im Schauspielhaus Bochum und auch das Bühnenbild kommt aus der Vergangenheit. Wenn auch aus einer nicht ganz so weit entfernten wie manch einer der verstorbenen Dichter, die als Team Dead antreten, um die Gunst den Publikums für sich zu gewinnen. Daniil Charms, Raymond Queneau, Theodor Fontane und Ernst Jandl werden vom Schauspielhaus-Ensemble wiederbelebt, um gegen die sehr lebendigen Poetry Slammer Franziska Holzheimer, Pierre Jarawan, Renato Kaiser und Torsten Sträter anzutreten. Das Publikum entscheidet, wer die Trophäe mit nach Hause nehmen darf – ins Grab oder in die Wohngemeinschaft.

Ein Star der Gegenwart: Der längst verblichene Ernst Jandl

Doch wer nun denkt, dass es allzu leicht für die gegenwärtigen Poeten sein wird, sich gegen die literarischen Klassiker vor dem mit Schullektüre gequältem, größtenteils sehr jungem Publikum durchzusetzen, der hat sich getäuscht.

Die Verstorbenen machen es der Jury und dem proppenvollen Saal aber auch nicht leicht. Gerade Ernst Jandl, brillant gespielt vom Ensemble-Mitglied Marco Massafra, hat sich etwas aus seinem Textrepertoire ausgesucht, das zwar eindeutig lautmalerisch-experimentelle Jandl-Lyrik ist, aber auch von einem heutigen Poetry Slammer stammen könnte.

Ob die vertrackte, mit Schimpfwörtern gespickte, pessimistische Lyrik dem Publikum dann genauso gut gefallen hätte, sei dahingestellt. In Gestalt von Marco Massafra jedenfalls begeistert die Schullektüre so manchem mehr als die Texte der lebenden Slammer Holzheimer, Jarrawan und Kaiser, die allesamt aus dem Süden angereist sind.

Bemitleidenswert komische Performance mit Ententanz und Monchichi

Die drei wirken auf der Schauspielhausbühne ein wenig bemüht – mit handwerklich überzeugenden Texten, die aber mit dem Loser-Charme des Ruhrgebiet-Gewächses Torsten Sträter nicht mithalten können. Der Waltroper erzählt von seinem Kindheitstraumata mit Monchichis Äffchen – „die sind so niedlich, da gehst du kaputt dran“ –, nicht vorhandenem Vater und davon, wie er seine Fußball-begeisterte Freundin mit dem Ententanz vergrätzt hat. Das ist mit seiner staubtrockenen Bühnenperformance so hinreißend bemitleidenswert komisch, ohne auf platte Gags aus zu sein, dass er verdient die volle Punktzahl von der Jury holt. Wahrscheinlich hat er aber auch einen gewissen Humor-Heimvorteil.

Seinen Heimvorteil muss der Moderator Sebastian 23 gar nicht nutzen – er ist auch so in Bestform, als würde er immer auf solch großen Bühnen stehen. Der Duisburger hat sein Publikum fest in der Hand. Aber auch für Theodor Fontanes „John Maynard“ lassen sich die dankbaren Besucher begeistern – als hätte man sie damit nie im Deutschunterricht gequält.

Nur der am Ende ausgerufene Gleichstand zwischen toten und lebenden Dichter lässt ein wenig unbefriedigt zurück. Und wirkt so, als hätte Sebastian 23 nur keine Lust, die Punkte zusammenzuzählen. Aber sei's drum – der zweite Dead or Alive Poetry Slam im Schauspielhaus Bochum war dennoch der sehr lebendige Beweis, dass tote Literatur gar nicht so tot sein muss.