Bochum. Eine ältere Kundin mag’s besonders reinlich. „Bei ihr müssen wir regelmäßig die Tapete absaugen“, schmunzelt Sven Grzella (32). Kein Problem: Seine „Haushälter“ sind für alle Aufträge gerüstet – ebenso wie die vielen weiteren mobilen Dienstleister in Bochum.

Als Ein-Mann-Betrieb hatte Sven Grzella vor sechs Jahren die Marktlücke erkannt. Und das direkt nebenan. In seiner Nachbarschaft am Midgardweg leben zahlreiche ältere Menschen. „Bücken, strecken, heben: Anstrengende körperliche Tätigkeiten können sie nicht mehr selbst ausüben.“ Grzella leistet während seines BWL-Studiums bezahlte Nachbarschaftshilfe. An Jobs herrscht kein Mangel. Putzen, saugen, waschen, Laub fegen, einkaufen, im Urlaub auf das Meerschweinchen aufpassen: Seine Kundendatei wächst ebenso stetig wie sein Wirkungskreis.

Alsbald offeriert der rührige Studi auf Flyern in Harpen und Gerthe seine Arbeitskraft. 2007 der Entschluss: Mit den Hausbesuchen ist gutes Geld zu verdienen. Die erste Mitarbeiterin wird eingestellt. Ein Existenzgründerzuschuss ebnet den Weg in die Selbstständigkeit.

23 Mitarbeiterinnen

„Die Haushälter“ nennt Sven Grzella seine Start-up-Firma, mit der er 2007 Büroräume am Nordring bezieht. Aktuell sind es 23 Mitarbeiterinnen (400-Euro- und Teilzeitkräfte), für die der jugendlich wirkende Chef die Einsätze aufnimmt und koordiniert. Warum nur Frauen? „Wir sind hauptsächlich mit hauswirtschaftlichen Arbeiten betraut. Die meisten Kunden wünschen dafür weibliches Personal. Uns Männern wird in diesem Bereich offenbar nicht allzu viel zugetraut...“

Vertrauen ist gerade bei älteren Bewohnern wichtig

100 Stammkunden werden von den „Haushältern“ betreut: meist wöchentlich, mitunter auch täglich. Hauptauftraggeber sind Senioren, die putzen, kochen oder einkaufen lassen. Oft wird die professionelle Hilfe von ihren Kindern und Enkeln geordert. „Nicht wenige ältere Menschen schämen sich oder haben Angst, Fremde in die Wohnung zulassen. Vertrauen ist da ganz wichtig“, weiß Grzella.

Zunehmend werden die mobilen Dienste auch von berufstätigen Kunden genutzt. Der Jungunternehmer berichtet u.a. von einer Geschäftsfrau, die die Heimarbeiter regelmäßig zum Waschen, Bügeln und für den Nachwuchs engagiert. „Wir kochen für die Kinder, wenn sie von der Schule kommen, und passen auf, bis Mama zuhause ist.“

Demografischer Wandel ist mehr als ein Schlagwort 

18,80 Euro kostet eine „Haushälter“-Stunde. Ähnliche Kurse gelten u.a. bei Fußpflegern, Friseurinnen, Masseuren oder Büroservice-Anbietern. „Der mobile Markt wächst“, berichtet Jörg A. Linden, Sprecher der IHK Mittleres Ruhrgebiet in Bochum. Eine Ursache sei der demografische Wandel. Der sei längst nicht mehr nur ein Schlagwort.

„Es gibt eine wachsende Zahl an Menschen, die eine Dienstleistung zu Hause brauchen oder nachfragen. Das ist der weite Bereich der mobilen Pflege, das kann die Massage oder das Haareschneiden sein, das kann natürlich auch das Bringen des Einkaufs an die Haustür sein“, weiß Jörg A. Linden. Gleichzeitig habe sich das private Zeitmanagement verändert. „Man ist so eingespannt in den eigenen Kalender, dass man ,keine Zeit’ hat, das Haus zu verlassen. Also kommt der Dienstleister zur Wohnung oder zum Büro.“

Fazit der IHK: Die Dienstleistung von Mensch zu Mensch ist ein Zukunftsmarkt. Auch die „Haushälter“ werden wohl noch manchen Staub aufwirbeln. Und sei es beim Absaugen der Tapete.

IHK beobachtet Zunahme

Die IHK meldet bei Neugründern einen zunehmenden Trend in Richtung mobile Dienstleister. Gerade Menschen, die sich aus der Arbeitslosigkeit selbstständig machen, verfügen nicht über viel Eigenkapital und dürfen auf keine üppigen Kredite hoffen. Für sie ist der mobile Service besonders reizvoll. Man nutzt sein eigenes Auto und muss kein Ladenlokal oder Büro anmieten.