Grumme. .
„Wir waren uns von Anfang an sympathisch, es passt einfach alles.“ Renate Heera (73) geht seit zwei Monaten mit Charlotte Vaupel (86) spazieren, ohne, dass die Ältere Angst haben muss zu stürzen. Die beiden Frauen gehören zu den ersten Paaren, die sich über das neue Projekt „Zuhause alt werden“ gefunden haben.
Die Idee dazu hatte Silke Neufeld, Sozialarbeiterin im Stadtteilladen Grumme. „Ich habe durch meine tägliche Arbeit den Bedarf gesehen; es gibt ausreichend Ehrenamtliche, doch kaum Senioren, die Hilfe in Anspruch nehmen.“ Insbesondere Menschen, die frisch aus dem Krankenhaus entlassen wurden, brauchen mitunter anfangs Unterstützung. „Wir haben eine Versorgungslücke erkannt: mit wenig Aufwand den Einzug ins Pflegeheim vermeiden oder hinauszögern.“ Was dem Projekt auch den Namen „Zuhause alt werden“ verschaffte.
Mit dem St. Josef-Hospital besteht bereits eine Partnerschaft, auch das Augusta-Krankenhaus will den Kontakt pflegen, um älteren Patienten das Projekt ans Herz zu legen, sobald sie entlassen werden. Der Ansatz gefiel auch dem Bundesministerium für Familie und Senioren so gut, dass das Projekt als Pilot drei Jahre lang gefördert wird mit 100 000 Euro; weitere 110000 Euro kommen von der evangelischen Kirchengemeinde Bochum und der Wohnungsgesellschaft VBW.
Mit dem Geld konnte mit Daniela Erlbruch (bald Risse) eine Sozialpädagogin eingestellt werden, die Ehrenamtliche und Senioren zusammenbringen will. „Bei uns ist es ihr bestens gelungen“, schwärmen Renate Heera und Charlotte Vaupel. Die beiden sind bereits Freundinnen geworden.
„Das ist auch unser Ziel: Wir wollen keine kurzfristige Einkaufshilfe vermitteln, sondern Menschen zusammenführen, die zueinander passen, um langfristige Begegnungen zu schaffen.“ Dabei soll ausdrücklich keine kostenlose Haushaltshilfe oder Pflegekraft vermittelt werden. „Der Hauptwunsch ist stets, Gesellschaft zu finden.“ Das war übrigens auch Motivation für Renate Heera, deren Mann vor einem Jahr verstarb: „Ich suchte einen Gesprächspartner, der auf meiner Wellenlänge liegt.“ Und Charlotte Vaupel hatte keine Krankenversorgung nötig; jetzt ist sie regelmäßig mit ihrer sportlichen neuen Freundin unterwegs.
Projektstart ist Anfang Oktober. Doch schon jetzt verfügt Daniela Erlbruch über ein Dutzend potenzieller Ehrenamtlicher zwischen 40 und Ende 70 Jahren, „allein durch Klinkenputzen und Kontaktpflege“, die gern loslegen würden; sieben haben bereits einen Partner gefunden. Auf der anderen Seite sind zurzeit drei Senioren „unversorgt“.
„Ich muss mit beiden Seiten reden, um zu sehen, ob’s passt.“ Da gibt es etwa eine Rentnerin in Grumme, die ganz spezielle Anforderungen stellt: So sollte ihr Gegenüber vitales Interesse für Kultur, für Theater und für klassische Musik hegen. Andere suchen Menschen, mit denen sie Brettspiele machen oder gemeinsam einkaufen könnten. „Oft kann mit leichten Handgriffen oder ein bisschen Aufmerksamkeit Lebensqualität geschaffen werden“, sagt Daniela Erlbruch.
Wer sich entschließt, das Projekt als Ehrenamtlicher zu unterstützen, kann seinen Einsatz flexibel steuern, ob einmal pro Woche eine Stunde oder alle zwei Wochen zwei. Sie treffen sich regelmäßig und können an Schulungen teilnehmen. „Uns ist es wichtig, dass es auch den Helfenden etwas bringt. Denn die Ansprüche an freiwilligen Einsätzen haben sich gewandelt. Mitglieder etwa der kirchlichen Frauenhilfe, die alles machen, werden weniger“, erklärt Silke Neufeld.
Daniela Erlbruch will zunächst die Netzwerke der Kirche nutzen, um weitere Ehrenamtliche zu finden. Das Projekt ist nicht allein auf Grumme beschränkt, sondern soll auch auf die Stadtmitte, die Südinnenstadt und Stahlhausen ausgedehnt werden.