Bochum/Düsseldorf/Berlin. . Bin Ladens Ex-Bodyguard Sami A. beschäftigt auch die NRW-Landesregierung. Er setze “alles daran, die Menschen vor gefährlichen Dschihadisten zu schützen“, sagte Innenminister Jäger. Gepatzt hat die Stadt Bochum: Ihr Ausweisungsversuch geriet fachlich so ungelenk, dass der Kammer nur Ablehnung blieb.

Jetzt ist Burkhard Freier bekannt. Bisher hatte die Öffentlichkeit kaum ein Bild von dem Mann, der seit einem Monat an der Spitze des NRW-Verfassungsschutzes steht. Gestern war Freier der Mann im Rampenlicht. Er sollte Scharen von Presseteams erklären, wie es sein kann, dass Osama Bin Ladens Leibwächter jahrelang ungehindert den Terror-Nachwuchs an der Ruhr aufziehen konnte. Das ist schwer zu erklären.

Alles im Griff. So lautet, verkürzt, Freiers offizielle Botschaft. Seit Sami A. Anfang 2005 nach Bochum zog, hätten ihn „Polizei und Verfassungsschutz im Visier“.

Familiäre Nähe zum Terror

Vieles sei im Fluss. Das Land nutze „die umfassenden Möglichkeiten des Verfassungsschutzes, um ein detailliertes Bild zu seiner Person und seinen Aktivitäten zu bekommen.“ Die gesammelten Informationen würden mit den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern ausgetauscht. Warum Bin Ladens Bodyguard trotz aller Erkenntnisse unterm Strich unbehelligt weiter schalten und walten konnte, darauf ging Freier nicht ein.

Innenminister Ralf Jäger (SPD) auch nicht. Zwar bestätigte er die große Gefahr, die von Sami A. ausgehe: „Wir haben eindeutige Hinweise, dass er mit seinem extremistischen Gedankengut versucht, junge Menschen zu radikalisieren.“ Solche Extremisten „gefährden das friedliche Zusammenleben und die kulturelle Vielfalt in NRW“, warnte Jäger. Ausschalten aber könne man den Salafisten derzeit nicht, sondern nur „soweit wie möglich einschränken“. Aus rechtlichen Gründen.

Ausweisungsversuch geriet fachlich ungelenk

Darauf hebt auch die Stadt Bochum ab. Die zuständige Ausländerbehörde habe getan, was sie konnte. Die „Ausweisung mit Abschiebeandrohung gegen Herrn A.“ sei im März 2006 verfügt worden. Leider habe das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen sie gekippt, wegen unzumutbarer Härten für Sami A. und seine Familie. „Herr A. ist mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet, das Paar hat drei Kinder.“ Und: „Die Situation im Heimatland“ des Tunesiers sei unsicher.

Doch in der zwölfzeiligen Mitteilung lüftet die Stadt nur ein Stück Wahrheit. Sie verschweigt, dass ihr Ausweisungsversuch fachlich so ungelenk geriet, dass der Kammer nur die Ablehnung blieb. Das wird in der Urteilsbegründung ausdrücklich betont: „Trotz der offenkundigen Unmöglichkeit“, den Salafisten „zur Ausreise nach Tunesien zu zwingen“, habe die Stadt genau dies versucht. Damit zerlegte sie sich selbst.

Am Terrorpotenzial zweifelt das Verwaltungsgericht nicht 

Am Ende klang fast richterliches Mitleid durch. Die Kammer stellte fest, dass „die Ausweisung keinen Bestand haben kann“, obwohl bei Sami A. die „Voraussetzungen des Ausweisungsgrundes vorliegen“. Es hätte gereicht, sie hinreichend darzulegen. Am Terrorpotenzial des Ex-Bodyguards von Bin Laden jedenfalls zweifelt das Verwaltungsgericht nicht. Im Gegenteil: Die Kammer geht „von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit“ aus.

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Auch die Familiensituation erscheint in einem differenzierteren Licht. Die Frau und die drei Kinder von Sami A. haben neben der deutschen auch die tunesische Staatsangehörigkeit. Die Frau hat von 1994 bis 1999 in Tunesien gelebt. Und sie hat eine familiäre Nähe zum Terror: Nach Informationen der WAZ war ihr Bruder erst im Al-Aksa-Verein, danach in der Yatim Kinderhilfe e.V. aktiv. Beide Organisationen sind bundesweit verboten. Unter dem Mantel der Mildtätigkeit sollen sie die palästinensische Terrororganisation Hamas finanziell unterstützt haben.

Verfassungsschutzchef Freier setzt auf einen Erfolg der Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster. Die Justiz sei schließlich „von der Gefährlichkeit“ des Mannes überzeugt und „damit unserer Einschätzung gefolgt“.

Ob und wie die Stadt Bochum und das Land im Fall Sami A. kooperierten, blieb gestern offen. Ein Sprecher der Stadt wollte sich gegenüber der WAZ nicht dazu äußern. „Alles was wir sagen können und dürfen“ stehe in der offiziellen Mitteilung. Zu mehr sei man nicht befugt. „Das ist mit oben abgesprochen.“