Bochum. Der Bochumer Autor Wolfgang Berke hat sein Ruhrgebiet in smarte Buchform gegossen. Von Kuriositäten bis zu Katastrophen.
Wolfgang Berke kennt das Ruhrgebiet. Nicht nur wie einen guten Nachbarn, sonder eher wie einen Ehepartner nach fünzig Jahren. Das schlägt sich beim gebürtigen Wanne-Eickeler und Wahl-Bochumer seit Jahren in Büchern nieder. Der 58-jährige hat über Halden und Industriekultur geschrieben und das Ruhrgebiet mit Fahrrad, Motorrad und Cabrio publizistisch durchmessen. Schon früh publizierte er im Internet und mit der Zechen-App nutzte er zuletzt eine Applikation für das Smart-Phone als Vertriebsort für Informationen.
Keine Batterien, kein Klingeln
Das ehemalige Telefon, das später zum Handy mutierte und jetzt in den Händen vieler Nutzer als Taschencomputer mit Kommunikationsfunktion genutzt wird, hat auch seine neueste Publikation beeinflußt. „Smartbook - Ruhrgebiet für Fortgeschrittene“ (Klartext-Verlag, 190 Seiten, 14,95 €) heißt das hochformatige Taschenbuch. Versprochen wird „Analoges Lesevergnügen mit Digitalem Mehrwert“. Das muss aber niemanden abschrecken, es handelt sich um ein völlig normales Buch, es braucht keine Batterien und klingelt nicht in unpassenden Momenten. Und es ist ein gutes Buch. Ein smartes Buch.
Denn es enthält unglaublich viele Informationen und Geschichten aus dem Ruhrgebiet, die so nicht in Reiseführern und Nachschlagewerken zu lesen sind. Smart also im Sinne von pfiffig, clever, gewitzt. „Geeignet für Neugierige und Besserwisser“ steht darauf geschrieben und für diese Zielgruppe hat Berke einiges zu bieten.
Witziger Voyeurismus
Mit witzigem Voyeurismus stürzt sich der Autor auf Kurioses und Katastrophales aller Art. Von Schildbürgerstreichen über kuriose Kunst im öffentlichen Raum bis zu Flops und schlicht „Dummen Zeug“ reicht das Panorama des Skurrilen. Kaum eine Eselei einer Stadtverwaltung, kein stadtplanerischer Irrweg, der hier nicht genüsslich präsentiert würde - wie gleichwohl aber auch die besonderen und schönen (Aussichts)Orte der Region.
Immer wieder streift der Blick Berkes Bochum. Der Starlight Express wird gewürdigt, die Ampeln der Stadt belächelt, das Hotel Eden am Ring reiht sich in spektakuläre Geisterhäuser der Region ein und die Gänsereiter bekommen auch etwas Raum ob ihres makabren Tuns. Der Leser erfährt, dass Straßennamen wie „Deutsches Reich“, „Old Wattsche“ und „Am Schamberge“ zwar kurios sind, aber nicht so drastisch wie „Alter Drecksweg“ in Hünxe.
Typische Lakonie
Im Kapitel „Flops, Hirngespinste und Fehlschläge“ steht der „Platz des europäischen Versprechens“ etwa zwischen der Duisburger Küppersmühle und dem High-Definition-Technologiezentrum Oberhausen. Zum Projekt von Jochen Gerz schreibt Berke: „Wie Gerz es geschafft hat, die stets klamme, ideenarme und PR-süchtige Stadt Bochum für die Aktion zu gewinnen, bleibt sein Geheimnis“ ätzt er gegen die Kulturhauptstadtaktion, die bis heute quasi endlos fortdauert.
Berke arbeitet seine gemischte Tüte mit lässiger, salopper Sprache auf, glossiert gerne, bezieht Position und legt über all das jene für den hiesigen Humor so typische Lakonie. Berke und das Ruhrgebiet. Ein altes Ehepaar eben.