Bochum. Ein Wetter wie gemalt,dicht gesäumte Gehwege, Kamelle bis zum Abwinken: 50.000 Besucher feierten beim Rosenmontagszug in Linden – darunter WAZ-Redakteur Jürgen Stahl, erstmals oben auf dem Festwagen.
Die Zwerge haben den Längsten. Wagen natürlich! 18 Meter misst der Truck, der die nächsten zwei Stunden die Bühne für einen einmaligen Auftritt bereitet. Gelbe Kluft übergestreift, rote Mütze aufgesetzt: Der Redakteur fährt hoch auf dem Wagen im Lindener Rosenmontagszug mit.
„Kein Problem, wir rücken zusammen“, hatten die Zwerge von Christ König meinem Wunsch sofort entsprochen. Zigmal habe ich einen Karnevalsumzug erlebt und beschrieben. Aber immer nur von unten. Wie es wohl ist, das Fußvolk von oben mit Kamelle zu beglücken? Um es vorweg zu nehmen: großartig!
13.45 Uhr, Festwagen 12 ist startklar. Die Zwerge haben beim Umzug am Sonntag in Wattenscheid jede Menge Wurfmaterial übrig gelassen. Kartons mit Bonbons, Popcorn, Weingummi und Brause türmen sich in der Mitte des Aufliegers. Links und rechts nehmen die Zwerge und ihre Gäste die Positionen ein. Vor uns, in Kniehöhe, hängen Eimer, voll mit Süßkram. „Schön weit werfen, damit die Kinder nicht zu nahe kommen. Nachfüllen musst du alleine “, sagt Finanzzwergin Petra Lohof.
Umgedrehte Schirme
14.10 Uhr. Der Zug rollt. Große und kleine Jecken säumen die Gehwege links und rechts der Hattinger Straße. 50.000 sind es insgesamt. Die Profis sind schnell zu erkennen. Sie nehmen Blickkontakt zum Werfer auf, halten Tüten in die Luft, strecken umgedrehte Schirme entgegen. Die Typen konnte ich schon als Besucher nie leiden. Jetzt ist die Zeit der Rache gekommen. Wer unverschämt ist, geht leer aus. Mit vollen Händen indes beschenke ich die vielen, vielen toll kostümierten Kinder, die mit großen Augen zu uns hochschauen und glückselig im Bonbonregen stehen.
Rosenmontagszug in Linden
Vor uns der Linden-Dahlhauser Turnverein, hinter uns die „Rentnergang Linden“, zieht die Zwergen-Karawane weiter. Die Stimmung auf dem Hänger ist prächtig. Gegenseitig füllen wir die Eimer auf und üben uns im Ziel-Weitwurf: Wer schafft es, ein Bonbon über zehn, 15 Meter in ein offenes Fenster zu schmeißen? Gabi gelingt’s. Mir nicht.
Süßigkeiten ausgegangen
Je näher der Lindener Markt rückt, desto voller werden die Straßen – und leerer die Kartons. In der ersten Zughälfte waren wir wohl etwas zu freigiebig. Auf den letzten 200, 300 Metern, vorbei an der Bühne, sind uns die Süßigkeiten ausgegangen. Ein halbvoller Bierbecher trifft den Hänger. Die erfahrenen Zug-Zwerge nehmen’s gelassen. „Schlimmer sind die zurückgeworfenen Bonbons. Die können übel wehtun.“
15.40 Uhr. Der Zug rollt aus. Das Kamelle-Lager ist ratzeputz leergeräumt. Im rechten Oberarm macht sich nach gefühlten 500 Ausholbewegungen ein leichtes muskuläres Zucken bemerkbar. Mütze ab, Gewand aus. „Hat’s Spaß gemacht?“, fragt Festausschuss-Präsident Bernd Lohof. Keine Frage. Vor allem der Kinder wegen. Der jecke Frohsinn erfährt von oben eine neue, eindrucksvolle Perspektive.
Linden 2013: Ich werfe wieder!