Bochum. 1000 Besucher füllten das Kunstmuseum am Samstagabend beim traditionellen Mummenschanz. Die Verkleidungskünstler bewiesen einmal mehr: Beim alternativen Karneval sind die Gäste der Star.
Peter Pan, Jim Knopf, Gaius Julius Cäsar, Zorro, Neptun, Graf Dracula, eine wandelnde Freiheitsstatue, weiß bekittelte Chefärzte, ein Wikinger, Heidi (nicht die Klum, sondern die von der Alm) und jede Menge Engelchen und Teufelchen.Bergmann und Batman, Don Camillo, Karl Lagerfeld, Lindenberg und Gartenzwerg, Borat mit US-Fähnchen, Biene Maja, Miss Piggy, Angus Young (mit Luftgitarre) und reichlich Schlümpfe und Fabelwesen.Jack Sparrow, Casanova, lockenköpfige Atzes, schnurrbärtige Mexikaner, Puck die Stubenfliege, Piloten und Stewardessen, Playboy-Häschen und ungezählte Knastbrüder und Krankenschwestern.
„Unsere Gäste sind der Star“, sagt Michael Retter. Und die Stars kommen reichlich. Jahr für Jahr. Aus ganz NRW. In fantastischen Kostümen, die weit über die gängigen Verkleidungen Marke Cowboy und Prinzessin hinausgehen. Der Mummenschanz: Das ist Karneval der kreativen Art, aufgezogen vom Werbeexperten Michael Retter (52), der die Erfolgsgeschichte am Samstagabend fortführte.
Schon in den 70er Jahren wurde die Idee geboren: Im Kunstmuseum sollte es einmal im Jahr vorbei sein mit der andächtigen Ruhe. Zum Höhepunkt des jecken Treibens waren die Bochumer aufgerufen, in den heiligen Hallen zu feiern. Das Rezept mundete den Besuchern mal besser, mal schlechter. Seit 2001 ist der Mummenschanz (Neuhochdeutsch: Maskerade, Maskenspiel) eine feste Größe. Damals übernahm Michael Retter die Sause am Samstag und entwickelte sie zu einer der gefragtesten, weil außergewöhnlichsten Partys der Stadt.
Fast alle der 1000 Gäste sind kostümiert. Ein Museum voller Narren. Die meisten Entwürfe sind Eigenkreationen. Für eine Nacht ein(e) Andere(r) sein: Das fasziniert und elektrisiert nicht nur die Aliens, die in blinkenden grünen Monturen durch die Menge mäandern. Retter: „Ich staune jedes Jahr, was sich die Besucher einfallen lassen.“
Der Maskenball geht zwar als Karnevalsfete durch. Humbatätära und Narrhallamarsch will gleichwohl niemand hören. Mummenschanz: Das bedeutet Rock und Pop vom Feinsten, und zwar handgemacht. Fünf Bands füllen die verschiedenen Tanzflächen. Am meisten los ist im großen Saal, wo (wie im Vorjahr) die altstadterprobten Saxvibes aus Düsseldorf mit aktueller Ware und Klassikern rocken. Eine tolle Museums-Premiere legen die Bochumer Mädels von Tengo Hambre Pero No Tengo Dinero hin. Ausgelassen gefeiert wird auch zu den Klängen der Mummenschanz-Oldies Heart Beats. Alles fröhlich. Alles friedlich. „Das Publikum ist 1a. Schlägereien oder andere negative Zwischenfälle hat’s hier noch nie gegeben“, betont Michael Retter.
Die Museumsflure werden zum Laufsteg. Die originellsten Verwandlungskünstler werden ausgezeichnet. Platz 3 geht an gramgebeugte Ommas und Oppas, die mit Gehhilfen durch die Gänge schleichen, Platz 2 an ein Pärchen, das als Blumenwiese aufblüht. Den Sieg trägt ein Relikt der Kulturhauptstadt davon: menschliche Schachtzeichen mit gelben Ballons. „Das ist das erste Mummenschanz-Kostüm, das den Luftraum besetzt“, strahlt Michael Retter. Überragend.