Bochum. 50.000 Besucher werden am Rosenmontag beim Karnevalsumzug in Linden erwartet. Was nur noch die Älteren wissen: Die jecke Tradition nahm mit Schifferklavier und Bollerwagen ihren Lauf.
Schifferklavier umgeschnallt, Bier und Stullen im Bollerwagen verstaut: Der oberste närrische Feiertag im Bochumer Südwesten kam in den 60er Jahren einem beschaulichen Vatertagsausflug nahe. Was die wackeren Jecken der Kolpingsfamilie nicht ahnten: Mit ihrem Fußmarsch begründeten sie den Lindener Rosenmontagszug, dem heute jährlich 50 000 Besucher zujubeln.
Willi Gellermann zählte damals zu dem Trupp, der sich am Westfälischen Hof traf, und den Rosenmontag feucht-fröhlich zu zelebrieren. Ein Umzug lag noch in weiter Ferne. Der Karneval indes hatte in Linden bereits viele Anhänger. „Die Kolpingsfamilie wurde 1952 gegründet. Ein Jahr später wurde mit Felix Kampelmann der erste Prinz gekürt und die erste Feier organisiert“, erinnert sich Gellermann (75), seit 1954 Kolping-Mitglied und 26 Jahre Präsident der Lindener Narren.
Kolpings-Karneval
Der Kolpingkarneval, stets komplett „made in Linden“, entwickelte sich zum Erfolgsformat. Die Karten sind ruckzuck ausverkauft – obwohl seit den 70er Jahren vier Prunksitzungen aufgezogen werden. Heißt: 4 x 200 Besucher füllen das Gemeindezentrum (so auch heute und morgen). Und das reicht immer noch nicht, um den Bedarf zu decken. Manch Lindener geht leer aus und verpasst u.a. die Rede des evangelischen Pfarrers Ulrich Kessler, der regelmäßig bei den Katholiken in die Bütt geht (nett gemeinter Kolping-Spott: „Seine einzigen Predigten vor vollem Haus...“).
Mit 40 Festwagen und Fußgruppen
Gelebte Ökumene machte auch den Rosenmontagszug groß. „Anfang der 80er Jahre regte die Evangelische Gemeindejugend einen gemeinsamen Umzug an“, berichtet Willi Gellermann. Mit der Lindener Werbegemeinschaft („Die war schon früher sehr rührig“) und der Bezirksverwaltungsstelle waren alsbald weitere Partner an Bord. Vor 28 Jahren setzte sich der erste Lindwurm auf der Hattinger Straße in Bewegung.
Seither ist der Zug stetig gewachsen. Am kommenden Montag reihen sich 40 Festwagen und Fußgruppen ein. Willi Gellermann und sein Bruder Peter werden das Geschehen in gewohnt launiger Manier auf der Bühne vor der Liebfrauenkirche kommentieren. Das Motto „Linden. Voll Energie“ ist auf Prinz Andreas I. gemünzt: Der aktuelle Lindener Regent ist im bürgerlichen Leben Angestellter der Stadtwerke.
Den Traum eines Oberjecken, einen Karnevalszug alsbald durch das Zentrum Bochums ziehen zu lassen, können die Lindener sehr wohl nachvollziehen. Auf ihre eigenen Montags-Tradition indes wollen und werden sie dafür nicht verzichten. „Hier“, sagt Willi Gellermann, „kennt jeder jeden. Der Handel steht voll hinter uns. Das macht vieles einfacher. Das sieht in der Innenstadt anders aus.“
Aller Anfang ist schwer. Vielleicht beginnt man in der City ja auch mit Schifferklavier und Bollerwagen.