Bochum. Das Bochumer Bergmannsheil macht gute Erfahrungen mit einer neuartigen Herz-OP. Ein eingesetzter Miniatur-Ballon soll dauerhaft vor Schlaganfall schützen.
„Dieser Winzling kostet 3500 Euro?“ Friedrich Schmidt stutzt – und grinst: „Dann bin ich jetzt ja richtig wertvoll!“ Der 70-Jährige kann nach Jahren des Leidens und Bangens wieder unbeschwert lachen. „Mir geht’s saumäßig gut“, sagt der Rentner und legt die Hand aufs Herz. Ein zwei Fingerbreit kleiner Ballon ist Quell seiner neuen Lebensfreude.
250.000 Deutsche pro Jahr erleiden einen Schlaganfall. „Jeder Dritte litt zuvor unter Vorhofflimmern. Insgesamt sind es eine Million Patienten, die dadurch ein erhöhtes Schlaganfallrisiko aufweisen“, weiß Prof. Dr. Andreas Mügge, Direktor der Klinik für Kardiologie am Bergmannsheil.
Schlägt die Pumpe unregelmäßig, birgt das so genannte Vorhofohr besonders großes Unheil: In der kleinen Tasche im linken Vorhof des Herzens entstehen häufig die Blutgerinnsel, die – über die Gefäße ins Gehirn transportiert – einen Schlaganfall auslösen.
Nicht alle Patienten vertragen Blutverdünner
Medikamente (am häufigsten Marcumar) hemmen zwar die Blutgerinnung. „Doch immer mehr Patienten vertragen keine Blutverdünner: fatalerweise oft jene Menschen, die im höchsten Maße gefährdet sind: Senioren ab 60, Dialyse- oder Krebspatienten. Hinzu kommen Nebenwirkungen, Blutungsrisiken und ständige Kontrollen“, weiß Dr. Mügge.
Die Lösung erscheint ebenso simpel wie effizient – und gilt gleichwohl als medizinische Pionierleistung: Damit sich keine Gerinnsel im Vorhof bilden, wird das „Ohr“ abgedichtet. Dazu dient ein Drahtgeflecht mit einem Ballon aus Polyester. Ein Katheter, eingeführt in die rechte Leistenvene, wird durch die Herzscheidewand ins Herzinnere vorgeschoben. Durch den Katheter wird der Ballon im linken Vorhof millimetergenau platziert und aufgespannt. „Das Herz wächst binnen sechs Wochen über das fremde Gewebe hinweg. Die gefahrbringende ,Tasche’ bleibt dauerhaft geschlossen. Dies kann bedenkenlos passieren, denn das Vorhofohr ist für die Herzfunktion ohne jede Bedeutung“, berichtet der Kardiologe Dr. Leif Bösche.
Das Bergmannsheil ist nach eigenen Angaben eine der ersten Kliniken in Nordrhein-Westfalen, die den in den USA entwickelten Vorhofohrverschluss praktizieren. Über zehn Eingriffe sind erfolgt. „Die bisherigen Resultate sind hervorragend. Bei keinem der Patienten kam es zu Komplikationen“, erklärt Dr. Mügge.
Keine Vollnarkose
Friedrich Schmidt stimmt freudestrahlend zu. Der Bochumer zählte nach einem Schlaganfall und Herzinfarkt zu den Risikopatienten, die kein Marcumar vertragen. „Ich hab’ das Zeug zwei Monate eingenommen und bekam Schmerzen in den Füßen.“ Mitte Januar legte er sich bei Prof. Mügge unters Messer. Der Eingriff dauert 60 Minuten; eine Vollnarkose ist nicht erforderlich. Friedrich Schmidt muss zwar vorsichtshalber noch weitere sechs Wochen einen Blutverdünner einnehmen. Doch die OP hat ihn verändert. „Ich fühle mich wohl. Und vor allem sicherer. Ohne den Eingriff wäre der nächste Schlaganfall programmiert gewesen.“
Nur bei den Kosten wird Friedrich Schmidt etwas blass um die Nase. 3500 Euro, berichtet Dr. Leif Bösche, bezahle die Klinik allein für den Miniatur-Ballon. Doch die Ärzte sind sicher, dass die Materialkosten in dem Maße sinken werden, in dem sich die Verschluss-Technologie in den Herzkliniken etablieren wird.
Und daran hegt im Bergmannsheil niemand Zweifel.
Der Verschluss des Vorhofohres wurde 2005 entwickelt und 2007 erstmals angewendet. Laut Bergmannsheil geling der Eingriff bei über 90 Prozent der behandelten Patienten. „Ab sofort können wir diese Technik anbieten – sowohl Privat- als auch Kassenpatienten. Eine Zuzahlung ist nicht fällig“, betont Prof. Mügge.