Ein Test mit Nachgeschmack

Bochum. Die WAZ hat es getestet: Minderjährige haben auf dem Bochumer Weihnachtsmarkt offenbar wenig Probleme, an Alkohol zu gelangen.

Hollunderwein? Sehr gern! Die Verkäuferin hat nur eine Frage. Nein, nicht nach dem Alter. „Kalt oder warm?“, will sie wissen. „Warm“, antwortet die Kundin, erhält die Tasse und drückt sie ihrem Vater in die Hand. Der hat zehn Meter abseits zugeschaut und kann nur noch staunen. Seine Tochter ist 14. Alkohol, auch Hochprozentiges, bekommt sie auf dem Weihnachtsmarkt dennoch frag- und problemlos.

„Schauen Sie sich mal in der Innenstadt um. Da wird Glühwein an Minderjährige ausgeschenkt.“ Marlies Griesmann mag den Weihnachtsmarkt: „gemütlich, stimmungsvoll, ein Erlebnis.“ Dass ihren Söhne (13 und 15) schon mehrfach Glühwein verkauft worden sei, mag die Leserin nicht hinnehmen. „Wozu gibt’s das Jugendschutzgesetz, das die Abgabe alkoholischer Getränke an Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren verbietet?“

Probe aufs Exempel

Der WAZ-Redakteur machte die Probe aufs Exempel. Als Testkäuferin steuerte seine 14-jährige Tochter am Samstag sechs Getränkestände an. Allein, in Sichtweite des Vaters.

19.20 Uhr, Husemannplatz: Der Verkäufer schaut nur kurz zu dem Mädchen auf. Wortlos reicht er den gewünschten Glühwein über den Tresen.

19.35 Uhr, Pauluskirche: Mit einem „Beehre uns wieder!“ wird der warme Hollunderwein dargeboten.

19.50 Uhr, Boulevard: Die Schülerin überreicht ihrem Vater den bestellten Punsch.

20 Uhr, nochmal Boulevard: Während Schlagerfans zu Andrea Berg schunkeln, schiebt sich die Probandin mit Glühwein durch die Menge.

20.15 Uhr, Kortumstraße. Warum ist Vater nicht mehr überrascht, als Töchterchen das inzwischen fünfte Heißgetränk anschleppt?

20.30 Uhr, Dr. Ruer-Platz. Die letzte, die härteste Prüfung. Bekommt die 14-Jährige auch einen Glühwein „mit Schuss“, der erst ab 18 erlaubt ist? Der junge Verkäufer zweifelt für ein, zwei Sekunden, bevor er die dampfende Tasse aushändigt. Der Rum-Anteil lässt selbst Papa erschaudern.

Null Kontrollen

Der Test zum Fest fällt eindeutig aus: Sechs Bestellungen, sechs Becher, null Kontrollen. Nur einmal beobachtet die WAZ, dass sich ein Mitarbeiter bei einem Jugendlichen den Personalausweis zeigen lässt. „Dazu ist unser Personal in Zweifelsfällen verpflichtet. Das Jugendschutzgesetz gehört zu unserer Schulung. Gerade beim Glühwein ,mit Schuss’ sind wir da rigoros“, betont Bernd Steinmeister, Betreiber der „Glühweingasse“ auf der Harmoniestraße, die besonders bei jungen Besuchern beliebt ist.

Seit sechs Jahren baut der Herner seine 70-Meter-Feiermeile in Bochum auf. Zu Stoßzeiten sind die zwei Zelte und drei Theken mit 1000 trinkfreudigen Gäste gefüllt. Auch im Namen seiner Kollegen bittet Steinmeister um Verständnis, wenn Alkohol „vereinzelt“ auch an unter 16-Jährige verkauft wird. „Wir Händler haben daran keinerlei Interesse. Wir wollen keinen Ärger. Aber eine hundertprozentige Kontrolle und Sicherheit kann es nicht geben. Das gilt nicht nur für Weihnachtsmärkte. Vor allem bei jungen Frauen kann man sich mit dem Alter schnell vertun. Das ist keine Entschuldung, aber eine Erklärung.“

Keine Entschuldigung will die Stadt gelten lassen. „Das Verkaufsverbot gewährt keinen Spielraum. Verstöße werden mit Bußgeldern zwischen 300 und 1500 Euro geahndet“, so Sprecher Thomas Sprenger.

Anderweitig büßen musste der WAZ-Redakteur: Die sechs Glühweine binnen 70 Minuten zeigten am Sonntag nachhaltige Wirkung...