Bochum. Von einem, der auszog, um Holzbildhauer zu werden: Ein Porträt über den jungen Bochumer Künstler Jens Kothe.
Was bewegt einen jungen Mann dazu, einen aussterbenden Beruf zu erlernen? Seit Jens Kothe vor zwei Jahren von Bochum nach Oberammergau zog, um dort den Beruf des Holzbildhauers zu erlernen, wird ihm diese Frage immer wieder gestellt. „Und das nervt“, sagt der 26-Jährige. „Muss ich mich rechtfertigen, dass ich einen Beruf gefunden habe, den ich einfach toll und wichtig finde?“ Muss er nicht – aber er macht es trotzdem.
Wie viele seiner Schulkameraden wusste der Bochumer nach seinem Schulabschluss 2005 erstmal nicht so genau, was er werden wollte. Eine Anstellung im elterlichen Fliesenfachhandel wäre sicher gewesen, aber das wollte er nicht. Er probierte andere Berufe aus, Medizin, Architektur. Per Zufall kam dann über einen Freund die Idee, etwas Handwerkliches zu machen – und auf die Staatliche Berufsfachschule für Holzbildhauer zu gehen. „Ich habe dort schnell gemerkt, dass ich gerne Handwerker bin“, so Kothe. „Der Beruf ist vor allem deswegen reizvoll, weil eine intellektuelle Auseinandersetzung mit den Materialien stattfindet“, sagt der junge Künstler. „Ich kann mit meiner Kunst Dinge sichtbar machen, aufdecken, hinweisen, in Frage stellen und neu erfinden.“
Holz, Beton, Bronze, Alu
Holz sei dabei nicht mehr das einzige Material, mit dem er und seine Mitstudenten arbeiten würden - auch wenn das die Berufsbezeichnung nahe legt. „Beton etwa eignet sich hervorragend als Werkstoff, da er viele Gesichter hat“, meint Kothe, „da ist die Bauchemie heute viel weiter als früher“. Auch Bronze oder Alu sind für den jungen Holzbildhauer gängige Werkmaterialien.
Das kreative Gestalten, die Freiheit in der Kunst, werde an der Schule sehr fortschrittlich gelebt. Normal, sagt Kothe, sei das nicht. „Eigentlich ist Holzbildhauerei ein sehr traditioneller Beruf“, erklärt er. Früher mussten die Gesellen stets nur Herrgotts-Schnitzereien herstellen und gotische oder barocke Figuren kopieren. „Da diese Art der Schnitzerei nicht mehr so gefragt ist, hat sich ein Wandel vollzogen“, sagt Kothe.
Neue Ideen für das Handwerk
Da die festen Aufträge für traditionellere Arbeiten immer weniger werden, versucht die Schule heute ihren jungen Holzbildhauern Ideen an die Hand zu geben, die das Handwerk zukunftstauglich machen. Denn das ist alles andere als einfach. Zwar gebe es ein paar frühere Schüler, die es geschafft hätten, sich als freier Künstler einen Namen zu machen, erzählt der Bochumer. Doch genug andere könnten eben nicht mehr davon leben.
In einem halben Jahr geht die Ausbildung von Jens Kothe zu Ende. Dann will der 26-Jährige wieder nach Bochum zurückkehren. Er hofft, sein erlerntes Handwerk auch im Ruhrgebiet etablieren zu können - und dass er noch mehr Leute für sein faszinierendes Handwerk begeistern kann. Auch wenn es kein ruhrgebietstypisches ist.
Wie das passieren soll, weiß er allerdings noch nicht so genau. Etwas anderes erlernen will er trotzdem nicht. „Ein Bildhauer ist ein wichtiger Künstler. Er erschafft Bilder, die zeitgenössisches Leben ausdrücken und den Betrachter intellektuell anregen“, sagt Kothe. „Das darf nicht verloren gehen.“