Bochum. . Arbeitsagentur möchte Unternehmen dazu drängen, mehr behinderte Menschen einzustellen. „Sie sind meist gut qualifiziert, ausgesprochen motiviert und zuverlässig“, so Arbeitsagentur-Chef Udo Gleinsing. Doch noch immer sind viele Behinderte arbeitslos.

Plötzlich sah es in Rüdiger Bürgers Leben ziemlich düster aus. 35 Jahre lang kutschierte der Lkw-Fahrer Waren durch ganz Deutschland. „Mit dem 22-Tonner bin ich kreuz und quer durch die Lande geschippert“, erzählt er. Dann der Schock: Bei einer medizinischen Routinekontrolle wurden bei ihm verdächtige Blutwerte festgestellt. Die Diagnose: Bürger ist Diabetiker und gilt seither als schwerbehindert. „Meinen Lkw-Führerschein musste ich sofort abgeben“, sagt er.

Darauf folgte für den 57-jährigen Bochumer eine zermürbende Odyssee. Mal war er arbeitslos, dann als Leiharbeiter für wechselnde Firmen beschäftigt. „Aber da bin ich gesundheitlich nicht klar gekommen.“ Neun Jahre lang ging das so. „Ich hätte nicht damit gerechnet, jemals noch einen Job zu finden“, meint Bürger.

Doch dann hatte er Glück: Beim CAP-Lebensmittelmarkt der Diakonie in Laer wurde er nach einer dreiwöchigen Probezeit fest übernommen. Mit Unterstützung des Jobcenters arbeitet er dort seit Anfang Dezember als Fahrer. „Wir waren mit seiner Motivation so zufrieden, dass wir ihm einen Arbeitsvertrag angeboten haben“, sagt Werner Bracht, Geschäftsführer der Diakonischen Integrationsbetriebe. Auch Rüdiger Bürger ist sichtlich zufrieden: „Ganz ehrlich, für mich ist das wie ein Sechser im Lotto.“

Große Potenziale verschenkt

Allein: Bei der Einstellung von Menschen mit Behinderungen halten sich viele Unternehmen vornehm zurück. Mit einer Aktionswoche zu diesem Thema möchte die Arbeitsagentur jetzt verstärkt darauf aufmerksam machen, dass hier von den Arbeitgebern oftmals große Potenziale verschenkt werden. „Menschen mit Behinderungen haben oft viel zu bieten“, meint Udo Glantschnig, Chef der Arbeitsagentur. „Sie sind meist gut qualifiziert, ausgesprochen motiviert, zuverlässig, und Arbeit besitzt für sie einen hohen Stellenwert.“

Dass diese Menschen oft nur schwer eine Anstellung finden, würde meist lediglich daran liegen, dass sie einen Schwerbehinderten-Ausweis bei sich führen. „Und das ist nicht nur ein sozialpolitischer Unsinn. Auch auf dem Arbeitsmarkt werden auf diese Weise viele Potenziale einfach nicht ausgeschöpft“, so Glantschnig.

Barrieren in den Köpfen

Solche „Barrieren in den Köpfen vieler Unternehmer“ möchte die Arbeitsagentur so gut wie möglich abbauen. Zwar soll eine gesetzlich verankerte Mindestbeschäftigungsquote von fünf Prozent dabei helfen, dass auch behinderte Menschen einen Job finden. „Aber da können sich die Unternehmen mit einer Ausgleichsabgabe leicht freikaufen“, so Martina Fischer, Geschäftsführerin des Jobcenters. „Hier müssen noch dicke Bretter gebohrt werden.“

Doch warum? „In Zeiten des zunehmenden Fachkräftebedarfs auf qualifizierte Mitarbeiter zu verzichten, nur weil sie eine Behinderung haben, ist fast schon fahrlässig“, meint Glantschnig. Zumal die Arbeitsagentur und das Jobcenter die Betriebe nicht allein lassen würden. Ob bei Beratungen, Probebeschäftigungen oder Zuschüssen bei der Einstellung: „Wichtig ist nur, dass wir miteinander ins Gespräch kommen.“, meint der Chef der Arbeitsagentur.

In diesem Jahr konnte das Jobcenter bereits rund 200 schwerbehindert Bochumer in Jobs vermitteln. Einer davon ist Rüdiger Bürger. Knapp 1500 von ihnen sind aber weiterhin arbeitslos.