Bochum. . Das neue Ingenieursgebäude an der Ruhr-Universität Bochum sollte behindertengerecht werden. Nun öffnen sich dort große Flügeltüren automatisch, und die Gänge sind breit. Damit ist vieles besser als in anderen Gebäuden - aber Mängel gibt es trotzdem.

Es ist groß, es ist modern, es gibt viel Glas und viel Platz: Das neue Ingenieursgebäude (ID) an der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Emilie Devrainne, französische Austauschstudentin, staunt nicht schlecht, als sie mit ihrem elektrischen Rollstuhl zum Eingang des Gebäudes fährt und sich die großen Flügeltüren automatisch öffnen. Erster Kommentar: „Viel besser als in den Gebäuden der Geisteswissenschaften.“

Devrainne, die wegen ihrer neuromuskulären Erkrankung (Spinale Muskelatrophie) von Klein an auf den Rollstuhl angewiesen ist, macht ein Erasmus-Austauschjahr an der RUB und studiert Germanistik und Anglistik. „Deswegen bin ich die meiste Zeit in den Gebäuden der Geisteswissenschaften unterwegs“, sagt sie. Dort kann sie alleine keinen Raum erreichen. „Es gibt viele Türen, kaum eine öffnet sich automatisch. Von den zwölf Aufzügen kann ich nur zwei mit meinem Rollstuhl nutzen und die sind meistens total überfüllt“, erzählt die 21-jährige.

Lediglich einen Weg von der Uni-Brücke zu den Gebäuden der Geisteswissenschaften gibt es für Rollstuhlfahrer. Dieser Weg führt über holprige Platten zum Mediziner-Gebäude, wo die nächste Hürde wartet: Eine elektrische Doppeltür. „Wenn man sie nicht kennt, denkt man, die macht was sie will. Das bekam ich an meinem ersten Uni-Tag zu spüren“, erinnert sich Devrainne. „Beide Türen waren durch eine Tasten-Automatik geöffnet. Als ich die erste Tür hinter mir hatte und durch die zweite fahren wollte, hat sich diese einfach geschlossen und zack hatten wir einen Crash. Zum Glück ist alles gut gegangen.“

10 Minuten Wartezeit

Doch selbst nach zwischenfallslosem Erreichen der G-Gebäude ist Devrainne noch nicht am Ziel. 10 Minuten Wartezeit auf den Lift sind keine Seltenheit. Zu Fuß dauert die Treppe 20 Sekunden.

„Vieles sollte besser werden im neuen Ingenieursgebäude“, erinnert sich Harry Baus, Leiter der Beratungsstelle für Behinderte des Akademischen Förderungswerks. „Denn immerhin sind 19 Prozent der Studierenden an der RUB gesundheitlich beeinträchtigt. Das sind rund 6000 Personen.“

Im Eingangsbereich des ID-Gebäudes scheint dieses Vorhaben zunächst einmal gelungen zu sein. Die Flure sind breit, es gibt automatische Türen, die Theke im Empfangsbereich hat sogar einen Abschnitt, der Ideal auf die Augenhöhe von Rollstuhlfahren abgestimmt ist. Zudem gibt es auf jeder Etage ein Behinderten-WC. „Bei den Geisteswissenschaften habe ich bisher nur eins pro Gebäude gefunden, und das ist meistens defekt“, vergleicht Devrainne.

Rollstuhlfahrer können Knöpfe nicht erreichen

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Von DerWesten

Doch schnell decken sich auch im modernen IngenieursTrakt Mängel auf. Die Knöpfe am Aufzug sind so unglücklich positioniert, dass viele Rollstuhlfahrer sie nicht erreichen können. Im Hörsaal gibt es zwar extra einen Platz für Rollstuhlfahrer, „aber der Tisch ist viel zu hoch“, stellt Devrainne fest und ergänzt: „Wer keinen elektrischen Rollstuhl hat, sitzt viel zu tief und kann weder Dozent noch Tafel sehen.“ Des Weiteren ist der Hörsaal mit schweren Türen ausgestattet, die sie alleine nicht öffnen könnte.

‘Kleinigkeiten‘ könnten Uni-Leben erleichtern

„Türen“ ist auch das Stichwort für Dr. Frank Platte, der für die Fakultät Maschinenbau arbeitet. Zwar ist Platte nicht dauerhaft auf den Rollstuhl angewiesen, doch beeinträchtigt ihn eine starke Gehbehinderung. „Das gesamte Gebäude ist durchzogen von schweren Feuerschutztüren“, sagt er. „Bei jedem Gang durch das Gebäude, sei es zum Labor oder zur Toilette, muss ich von meinem Kollegen Konstantinos Nalpantidis begleitet werden.“

„Alles in Allem“, fasst Devrainne zusammen, „muss ich aber sagen, dass die Ruhr-Uni in puncto Barriere-Freiheit ganz gut dasteht. Im Vergleich zu meiner Uni in Frankreich ist es hier um Längen besser. Aber es gibt immer etwas, was man verbessern kann. Besonders die ‘Kleinigkeiten‘ könnten das Uni-Leben von Behinderten deutlich erleichtern.“