Bochum. .

„Wenn dein Leben langweilig wird, dann riskiere es“. Dies ist das Motto der amerikanischen „Klippenkletterer“. Auf der Suche nach dem ultimativen Kick riskieren diese Extrem-Klettersportler Leib und Leben. Nun hat Bochum für den extremen Klettersport wenig zu bieten. In Bochum kann man sein Leben aber anderweitig riskieren, wenn es langweilig werden sollte, nämlich beim Fahrradfahren.

Dass das Fahrradfahren in Bochum zu den letzten Abenteuern gehört, ist mindestens denen bekannt, die regelmäßig mit dem Fahrrad unterwegs und/oder die Zeitungsberichterstattung der vergangenen Wochen verfolgt haben. Wer auf der Suche nach dem besonderen Nervenkitzel ist, der fahre morgens im Berufsverkehr mit dem Fahrrad vom Westring ausgehend über die Allee- und Essener Straße nach Wattenscheid.

Beinahe-Unfälle sind programmiert

Die Tour beginnt auf einem schmalen, oft zugeparkten, stark verschwenkten Radweg, der bereits nach gut 100 Metern im Nirgendwo verschwindet. Die Fahrt wird dann für einen halben Kilometer auf der Fahrbahn fortgesetzt und in Höhe des Westparks beginnt erneut ein Radweg. Dieser ist aber nach 400 Metern bereits wieder zu Ende und wird auf einer abschüssigen Strecke mit Hilfe einer etwa einen Meter breiten weißen Markierung wieder auf die stark befahrene Alleestraße zurückgeleitet. Kein Autofahrer rechnet damit, dass Radfahrer sich hier in den fließenden Verkehr einfädeln müssen. Für Autofahrer ist die Markierung zudem kaum wahrnehmbar. Viele Lkw überfahren die Markierung, die auch schon von ihrer Farbintensität eingebüßt hat.

Es ist für alle Beteiligten unmöglich, die erforderlichen Sicherheitsabstände einzuhalten. Beinahe-Unfälle sind programmiert. Wer als Radfahrer sein Leben liebt, steigt ab, andere riskieren es bereits hier. Eine Weiterfahrt auf dem uneinsichtigen und enger werdenden Bürgersteig könnte zu Unfällen mit Fußgängern führen.

Beim Einfädeln siegt der Stärkere

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Nach 300 m endlich kommt wieder ein Radweg in Sicht. Falls dieser Rad- und Fußweg nicht an einer Seite von Gestrüpp zugewuchert sein sollte, ist hier eine sichere Fahrt möglich. Aber dann, in Höhe der Betriebseinfahrt zur Firma Thyssen Krupp Steel, nähert sich der Höhepunkt der Tour – in Sachen Risiko. Plötzlich ist der Weg von einer Sperre verrammelt mit der unübersehbaren und unmissverständlichen Aufforderung: „Radfahrer absteigen“! Auf einer Länge von mehr als 700 m ist der Radweg seit Wochen aufgerissen. Die aufgenommenen Pflastersteine sind säuberlich auf dem Gehweg aufgestapelt. Ein Fahrstreifen der Straße ist für Bauarbeiten und -fahrzeuge, Container, Toilettenhäuschen und Materiallagerung gesperrt. Der gesamte Verkehr läuft nur noch über einen verengten Fahrstreifen.

Engpass allenthalben

Zwar ist an dieser Stelle das Schild „Tempo 30“ aufgestellt, aber in den vergangenen Wochen hat dort nie eine Kontrolle stattgefunden. Diese finden regelmäßig auf der anderen Straßenseite stadteinwärts statt. Hier kann der Verkehr ungehindert auf einem Doppel-Fahrsteifen fließen. 60 km/h sind hier erlaubt. Warum Messungen auf dem weniger gefährlichen Bereich stattfinden, können wohl nur die beantworten, die sich tatsächlich mit der Verkehrssicherheit auskennen und dafür die Verantwortung tragen.

In der Baustelle hält sich an Tempo 30 kaum jemand. Wer den Mut hat, als Radfahrer auf dem verengten Fahrstreifen zu fahren, um dabei die Geschwindigkeit der Verkehrskolonne auf Fahrradtempo zu reduziert, erfährt, was unter den Begriff „offensives Autofahren“ verstanden wird. Man wird angehupt, von der Straße gedrängt oder bekommt den „Stinkefinger“ gezeigt. Als ich die Verkehrssituation dort letztens fotografisch dokumentierte, rief mir einer der Bauarbeiter zu: „Radfahrer absteigen!“ Als ich seiner Aufforderung nachkam, aber fragte, was ich denn nun nach dem Absteigen tun solle, schieben oder weiterfahren, zuckte dieser nur mit den Achseln. Ratlosigkeit allenthalben.

Fahrradfahren in Bochum nur für Lebensmüde

Wohin mit den abgestiegenen Radfahrern? Ein dazu befragter Polizeibeamter führte aus, dass Radfahrer den verengten Fahrstreifen der Straße benutzen müssen, denn der Radweg auf der gegenüberliegenden linken Seite ist zur rechtsseitigen Nutzung nicht frei gegeben. Also doch, ein organisiertes Abenteuerevent.

Ergo: Wenn dein Leben langweilig ist, dann riskiere es! Fahre Fahrrad in Bochum! Wer dagegen nicht lebensmüde ist, fährt am besten gleich mit dem Auto, damit man sich nicht selbst über den Haufen fährt. Radfahrer absteigen! Dies scheint immer noch Leitlinie einer Verkehrspolitik in unserer Stadt zu sein, in der Sicherheit für Radfahrer keine Rolle spielt und die offenbar immer noch in der Steinzeit zu verorten ist.