Bochum. . Der ADFC kritisiert die Verkehrsplanung in Bochum. Fahrradfahrer hätten keine Lobby. Seit 20 Jahren bewege sich eigentlich nichts. Der ADFC fordert Radstreifen auf der Fahrbahn, Radwege auf dem Bürgersteig lehnt der Club ab.

Der ADFC schlägt Alarm: „Kein Radweg in Bochum ist verkehrssicher“, sagt Klaus Kuliga. Der Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs hat die Faxen dicke. Seit Jahren arbeite ein Arbeitskreis an einem Konzept für die Bewerbung der Stadt Bochum bei der „Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Städte“ (AGFS), doch in Wirklichkeit herrsche Stillstand. Kuliga : „Langsam aber sicher reißt mein Geduldsfaden.“

Die Stadtverwaltung sei ohnehin nur über einen Bürgerantrag gezwungen worden, das Thema anzugehen. Die bislang diskutierten Ideen seien den Konzepten wirklich fahrradfreundlicher Städte nicht gewachsen. „Was Bochum für fahrradfreundlich hält, ist anderswo längst Schnee von gestern.“

Vor Ort fehle vor allen Dingen eine breite politische Unterstützung für das Thema. Als positives Beispiel führt der ADFC-Vorsitzende die Stadt Dortmund ins Feld. „Die haben zuletzt einen Raketenstart hingelegt und die Stadt umgekrempelt.“ Möglich geworden sei dies durch den neuen Oberbürgermeister Ulli Sierau (SPD). „Er ist die treibende Kraft für ein fahrradfreundliches Dortmund und setzt nun um, was er immer schon wollte.“ Nicht zuletzt deshalb fordert der ADFC Bochum, OB Ottilie Scholz (SPD) solle höchstpersönlich Bochums Bürger zum Rad fahren einladen und mit gutem Beispiel voran gehen.

Radweg, Fahrradweg, Radwege in Bochum am 27.07.2011. Radweg, der plötzlich endet an der Wittener Straße, Höhe Tonderner Straße. Foto: Monika Kirsch / WAZ FotoPool
Radweg, Fahrradweg, Radwege in Bochum am 27.07.2011. Radweg, der plötzlich endet an der Wittener Straße, Höhe Tonderner Straße. Foto: Monika Kirsch / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool

Haushaltslage kein Hindernis

Der Verkehrsplanung in Bochum macht Kuliga schwere Vorwürfe. Sie setze fast immer falsche Prioritäten. Hier sei ein Umdenken erforderlich: Zuerst müsse an Fußgänger und dann an Radfahrer und den öffentlichen Nahverkehr gedacht werden. Erst danach sei der motorisierte Individualverkehr an der Reihe.

Ein fahrradfreundliches Bochum scheitere auch nicht an der Haushaltslage. Wenn man wolle, könne man mit ganz einfachen Maßnahmen große Fortschritte erzielen. Überall dort, wo Markierungen auf die Fahrbahn kämen, könnten Radstreifen ausgewiesen werden. Und : „Tempo 30 geht immer“, sagt Kuliga.

Die grundsätzliche Forderung des ADFC ist nicht neu: Radwege gehören nicht auf den Bürgersteig, sondern beginnen und enden auf der Fahrbahn. Abgetrennte Radwege an Straßen sollen die Ausnahme sein und nur dort eingerichtet werden, wenn der Kfz-Verkehr eine besondere Gefahr darstellt. Radwege müssten zudem so gebaut werden, dass Radfahrer problemlos 25 Kilometer pro Stunde zurücklegen könnten. Orientiert ist diese Geschwindigkeit an der Höchstgeschwindigkeit für Fahrräder mit Hilfsmotor.

Imageverlust

Kuliga verweist außerdem auf die Vorgaben der rot-grünen Landesregierung für den Bau von Landes- und Bundesstraßen. Seit Juni 2010 sei die Einhaltung der ERA (Empfehlung für Radverkehrsanlagen) bindend. Daraus leite sich ab, dass die Radweg-Pläne der Stadt Bochum in Bezug auf den Ausbau der Straßenbahn-Linie 310 in Langendreer „rechtswidrig“ sei. „Dort werden die Mindestanforderungen nicht einmal im Ansatz erfüllt“, sagt Kuliga. „Radwege sind in dieser Planung als Resteverwertung betrachtet worden.“

Für Kuliga ist das Radweg-Desaster in unserer Stadt auch ein Imageverlust. In der Öffentlichkeit werde Bochum seit Jahren lächerlich gemacht. Titel wie „Radfahrer-Hölle“ (WAZ), „Fahrrad-Wüste“ (WDR) oder „Radweg-Irrsinn im Revier“ (Bild) seien verdient. Kuliga erinnert an das Symposium „Radfahren in Bochum – aber sicher“. Dort hätten Referenten der Stadt attestiert, dass sie in Bezug auf den Radverkehr „ganz am Anfang“ stünde. „Dort stehen wir aber seit 20 Jahren“, sagt Kuliga.

ADFC stellt Zehn-Punkte-Programm auf

Zusammen mit seiner Kritik (s. oben) legte Klaus Kuliga ein Zehn-Punkte-Programm des ADFC für ein fahrradfreundliches Bochum vor (gekürzt):

1. Die Stadt erklärt die Richtlinie des Landes (ERA 2010) verbindlich als Planungsgrundlage für alle Radwege in Bochum.

2. Das Straßennetz innerhalb des Gleisdreiecks um die Innenstadt wird für Radfahrer barrierefrei. Konkret heißt das: Radfahrer können alle Straßen in alle Richtungen frei benutzen. Der Südring erhält von Rottstraße bis Wittener Straße an beiden Seiten Radfahrstreifen. Der Innenring muss an jeder Einmündung leicht und sicher zu queren sein. Die „Barrierefreiheit“ gilt analog für Wattenscheid.

3. Alle Radialstraßen und Hauptstraßen, die Zentrum und Subzentren verbinden, erhalten Radverkehrsanlagen.

4. Die Ruhr-Uni wird für Radfahrer barrierefrei. Wohnheime, Universitätswohnstadt und Einrichtungen, die mit der Uni verbunden sind, werden durch Radwege angebunden. Wer im Umkreis von 5km rund um die Uni wohnt, soll alles per Rad erledigen können.

5. Die Stadtteilzentren werden analog erschlossen.

6. Die Benutzungspflicht für alle gehwegseitigen Radwege wird aufgehoben.

7. Für alle weiterführenden Schulen erstellt die Stadt Rad-Schulwegpläne und beseitigt Gefahrenstellen und Mängel.

8. Die Stadt engagiert sich in Kooperation mit Nachbarstädten vorbildlich für den Rad-Schnellweg-Ruhr (RSR).

9. Bausünden der letzten Jahre (z.B. Kreuzung Universitätsstr., Südring, Hbf, Wittener Str. Boulevard oder Herner Str., A 43 oder Dorstener/ Poststraße) werden korrigiert.

10. Bürger werden beteiligt und OB Ottilie Scholz personifiziert die Einladung zum Rad fahren.