Bochum. Im Theater Rottstr.5 feierte der vierte Titel der „Nibelungen“-Reihe Premiere: „Brunhild“ - ein leidenschftlicher Monolog von Magdalena Helmig zu Liebe, Betrug, Hass und Einsamkeit. Die Inszenierung mixt Pop-Zitate mit Literatur und Musikfetzen.
In der Rottstr.5 meißelt seit gut zwei Jahren eine Truppe junger, professioneller Theatermacher an dem Ruf, eine der aktuell kreativsten Bühnen im Ruhrgebiet zu sein. Abseits öffentlicher Subventionen, geht es in diesem ambitionierten Off-Theater immer an die Grenzen. Und manchmal auch darüber hinaus.
Unter der Eisenbahnbrücke
Zurzeit läuft dort u.a. ein auf zwölf Teile angelegtes „Nibelungen“-Projekt, das diesen deutschen Mythos auf seine alltägliche Zeitlosigkeit hin abklopft. Am Samstag hatte die 4. Folge Premiere: „Brunhild“, Regie: Arne Nobel, Hauptrolle: Magdalena Helmig. Der Abend geriet im gerümpeligen Tonnengewölbe unter der Eisenbahn-Brücke zu einem Seelen-Striptease der aufwühlenden Art.
Die Bühne ist bis auf ein paar Papierbahnen, Afri Cola-Kisten und ein paar Spiegelscherben, die von der Decke hängen, leer. Sie wird in der nächsten Stunde zur Spielwiese für Magdalena Helmig als Odin-Tochter/Walküre Brunhild. Die ist bekanntlich auf der Isenburg gefangen gesetzt, und kann nur befreit werden, wenn sie gefreit wird. In einer poetisch schwappenden Textcollage, die Brett Easton Ellis, Frank Herbert und Dan Simmons ebenso zitiert wie den Leitspruch des US-Flugzeugträgers USS Carl Vinson („Vis per Mare – Stärke des Meeres“), von dem aus die Navy Seals losflogen, um Bin Laden zu erschießen, bringt uns Helmig diese verzweifelte und zerrissene Figur nahe.
Verraten und verkauft
Brunhild ist stolz, aber sie hat auch Angst. Sie ist allein, und hat sich in doch mit den Schaben ihrer Einsamkeit eingerichtet. Vor allem hat sie eine Sehnsucht – die Liebe zu Siegfried, die sie mal brünstig, mal schmachtend heraus schreit, flüstert, wispert. Dumm nur, dass ausgerechnet Siegfried, der Held, zu ihrem Verräter werden wird, in dem er für König Gunther die unbezwingbare Brunhild bezwingt. In Worms am Hofe der Burgunder muss Odins Tochter erkennen, dass sie verraten und verkauft wurde. Es war eine Schändung. Keine einfache Einsicht, zu keiner Zeit, auch heute nicht.
Arne Nobels Inszenierung mixt Pop-Zitate mit Literatur und Musikfetzen, Kitsch mit Kunst, und deshalb darf Brunhild zwischendurch sogar Gitarre spielen: Bonnie Tylers „I Need a Hero“ singt sie – so übermächtig ist die Gier nach einer Liebe, die „largen than life“, größer als das Leben ist, in ihr. Umso tiefer gerät der Seelensturz ihrer Enttäuschung nach dem Betrug. Es muss reichlich Rotwein fließen, bis das abgewaschen ist.
Leidenschaftlicher Abend
Magdalena Helmig ist unglaublich stark in diesem „One-woman-against-all-odds“-Monolog. Präsent und stimmstark, versunken und glutvoll gibt sie die Brunhild in der Art, wie man einst die Velvet Underground-Sängerin Nico beschrieben hatte: Ja, sie läuft wie eine offene Rasierklinge durch die Gegend, man schneidet sich an ihr… Und das Donnern des Ozeans umdröhnt die Isenburg wie ein schreckliches Omen. - Ein leidenschaftlicher Abend!