Bochum-Wattenscheid. Plakate werden beschmiert oder abgerissen, Wahlkampfhelfer beschimpft: Die SPD Wattenscheid fühlt sich bedroht. Anderen Parteien geht es ähnlich.
Die Angriffe auf einen SPD-Politiker in Dresden und zwei Grüne in Essen vor wenigen Wochen sind wohl allen noch in Erinnerung. Auch in Bochum berichten nun Parteien von Übergriffen im Vorfeld der Europawahl. Speziell die SPD in Wattenscheid hat üble Erfahrungen gemacht. Fast alle 30 Wahlplakate in der Innenstadt seien abgerissen oder beschmiert worden, Wahlkampfhelfer beim Plakatieren beschimpft worden. „Das macht es für die Menschen, die sich hier engagieren, inzwischen bedrohlich“, findet Jan Bühlbecker, Vorsitzender des Ortsvereins Wattenscheid-Mitte/Westenfeld.
„Neue Dimension“: SPD klagt über Hass im Wahlkampf
Der 29-Jährige spricht von einer „neuen Dimension“, die man erreicht habe. Seit 2010 sei er in der SPD. In den vergangenen 15 Jahren habe eine bedenkliche Entwicklung stattgefunden. „Früher gab es vor allem anonyme Anfeindungen. Heute ist die Hemmschwelle dafür viel geringer.“ Eine Passantin habe beim Plakatieren gesagt: „Noch hängt ihr Plakate, aber irgendwann hängen wir Euch“. So eine Radikalisierung habe er bisher noch nicht gekannt, sagt Bühlbecker.
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Er spricht von „Hass, der sich vor allem auf Personen bezieht“. So seien ganz bewusst die Plakate, auf denen die für die Europawahl Kandidierenden Tobias Cremer und Katarina Barley zu sehen sind, abgerissen, beschädigt und beschmiert worden. Bühlbecker bestätigt, dass auf einem der Plakate Tobias Cremer ein Hakenkreuz auf die Stirn gemalt wurde.
Er bezeichnet das Ganze als eine „nicht ungefährliche Zuspitzung“. Die Leute, die Probleme mit demokratischen Parteien hätten, würden sich immer sicherer fühlen, dies auch in der Öffentlichkeit zu artikulieren. Die meisten aktiven SPD-Mitglieder beeindrucke das nicht, so Bühlbecker. „Wer Wahlkampf macht, der engagiert sich bewusst für unsere Demokratie und lässt sich von so etwas nicht unterkriegen.“ Und so wurden am Samstag neu bestellte Plakate in der Wattenscheider Innenstadt aufgehängt. Doch er weiß auch von Genossen, „die sich Sorgen machen, gerade die mit einer Migrationsgeschichte“.
CDU und Grüne in Bochum berichten ebenfalls von Übergriffen
Andere Parteien haben ähnliche Erfahrungen gemacht. „Auch von uns wurden Plakate beschmiert und abgerissen“, berichtet Marc Westerhoff von der Wattenscheider CDU. Nicht unbedingt mehr als in der Vergangenheit, „aber es passierte früher als sonst“. An manchen Standorten habe man sich gefragt, ob da vergessen wurde, ein Plakat aufzuhängen, „so schnell war das verschwunden“.
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Angemacht werde man ebenfalls. Sprüche wie „Warum macht ihr überhaupt Wahlkampf? Wir übernehmen euch doch sowieso bald“ oder „Warum hängt ihr Plakate auf? Die reißen wir eh runter“ bekomme man öfter zu hören. „Das ist schon eine unschöne Entwicklung“, so Westerhoff, der Sorge hat, dadurch „Wahlkampfhelfer zu verlieren“.
CDU Wattenscheid hängt keine neuen Plakate auf: „Investieren lieber anderswo“
Nachgehängt habe man kaum, „nur an wenigen Stellen“. „Plakate kosten ja auch Geld“, gibt Westerhoff zu bedenken. „Wir planen ja mit einem bestimmten Budget und investieren lieber in unsere Infostände, weil wir es wichtiger finden, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, als in totes Papier zu investieren, mit dem wir vornehmlich auf die Wahl hinweisen.“
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David Schary vom CDU-Kreisverband berichtet, dass man bochumweit „viele Plakate verloren hat“. Allein in Altenbochum seien es 20 bis 30 gewesen. „Da hängt fast gar nichts mehr.“
Grüne in Bochum registrieren „deutlich mehr Beschimpfungen als früher“
„Was Plakate angeht, haben wir relativ wenig Verluste“, sagt Oliver Buschmann vom Grünen-Ortsverband Wattenscheid. „Allerdings gibt es deutlich mehr Beschimpfungen als früher, auch an unseren Infoständen. Von Kinderf..... bis Kriegstreiber ist alles dabei.“ Kürzlich sei auch das Türschloss des Grünen-Büros mit Sekundenkleber beschädigt worden.
Anzeige erstattet
Natürlich habe man nach den Übergriffen im Wahlkampf Anzeige gegen Unbekannt erstattet, sagt Jan Bühlbecker von der SPD Wattenscheid-Mitte/Westenfeld. Das bestätigt auch die Polizei, die versichert, Augen und Ohren offenzuhalten. Eine Streife sei immer unterwegs und achte auch auf Beschädigungen von Wahlplakaten.
Diese habe man so hoch aufgehängt wie auch in der Vergangenheit immer, berichtet Bühlbecker, so etwa in zweiter Metern Höhe. Man müsse sich schon danach strecken, um die abzureißen. Die Grünen hängen ihre Plakate nach Möglichkeit sogar noch höher. „Meist so auf Unterkante 2,50 Meter“, sagt Oliver Buschmann. „Sicher ist sicher.“